Reinhard Hardegen, im Krieg U-Boot-Kommandant, dann Bremer Abgeordneter für die CDU, wird 103 Jahre alt. Berühmt wurde er durch die Operation „Paukenschla
"Was mich geärgert hat: Er bekam Apfelreis.“ Das sagt Reinhard Hardegen auf die Frage nach der Begegnung mit Adolf Hitler. Aus seiner Hand bekam Hardegen das Ritterkreuz mit Eichenlaub verliehen. Er war einer der erfolgreichsten U-Boot-Kommandanten des Zweiten Weltkriegs und versenkte insgesamt 22 Schiffe mit 118.314 Bruttoregistertonnen. An diesem Freitag wird er 103 Jahre alt – und er erinnert sich noch klar an viele Szenen eines langen Lebens. Am 18. März 1913 wurde Reinhard Hardegen in Bremen geboren. Schon als Kind wollte er zur See fahren. „Ich hatte das Glück sitzenzubleiben“, erzählt er. Denn das damalige Ausbildungsschiff der Marine, auf dem Hardegen bei normalem Schulverlauf seinen Dienst verrichtet hätte, sank mit allen Kadetten. Er habe seinen vier Kindern später gesagt: „Sitzenbleiben erhält das Leben.“ So kam er auf die Gorch Fock, wurde dann Marineflieger. Einen Absturz überlebte er schwer verletzt. Ein Bein war danach verkürzt; nur weil er das verschwieg, konnte er U-Boot-Fahrer werden. Als Kommandant war er auf Feindfahrten nach Westafrika und Neufundland. In Kriegszeiten berühmt wurde Reinhard Hardegen durch die Operation „Paukenschlag“. „Wir haben die amerikanische Ostküste abgegrast“, sagt Hardegen. Damals funkte Großadmiral Dönitz an den Kommandanten von U-123: „An den Paukenschläger Hardegen. Bravo! Gut gepaukt.“ Im Januar 1942 erhielt Hardegen das Ritterkreuz, drei Monate später - als 89. Soldat der Wehrmacht - das Eichenlaub dazu. Später wurde er Leiter der U-Boot-Ausbildung und führte schließlich ein neu aufgestelltes Bataillon in schweren Abwehrkämpfen gegen die britische Armee in Norddeutschland.
Zurück in die Marine wollte er nicht mehr
Nach Kriegsende und Gefangenschaft engagierte sich Hardegen in der Politik. Er saß mit Freunden zusammen. Das Motto lautete, so erzählt Hardegen heute: „Wir müssen etwas tun.“ So ging man in politische Parteien oder gründete sie. Hardegen fand seine politische Heimat in der CDU. Von 1959 bis 1979 war er Mitglied der Bremischen Bürgerschaft und zeitweilig stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU-Fraktion. Zurück in die Marine wollte er nicht mehr. „Ich hätte kein Bordkommando mehr bekommen. Und ein Kommando an Land wollte ich nicht.“ Hardegen wurde Unternehmer - nachdem er gemerkt hatte, dass er als Angestellter auf keinen grünen Zweig kommen würde. Er arbeitete zunächst als Vertreter einer dänischen Farbenfirma. Später baute er einen Ölhandel auf. Schon in seinem erfolgreichen Berufsleben als Kaufmann, das er bis zu seinem siebzigsten Geburtstag führte, war Hardegen gereist, bis zum Nordpol und zum Südpol.
„Ein geschlossener Verein für sich“
Was denkt er, wenn er heute die Nachrichten von Prozessen wegen NS-Verbrechen gegen Männer seiner Altersgruppe hört? „Wenn das Verbrecher waren, ist das in Ordnung.“ Ob er nicht Glück gehabt habe, bei der Marine gewesen zu sein, wo die Gefahr, in Kriegsverbrechen verstrickt zu werden, gering gewesen sei? „Da haben Sie recht“, sagt Hardegen. „Das war ein geschlossener Verein für sich.“ Und die Begegnung mit Hitler? Apfelreis bekam Hardegen nicht, nur Fleisch und Bratkartoffeln - „aber das hatte ich auch an Bord“. Zu dem Treffen im Führerhauptquartier sagt Hardegen noch: „Damals wusste keiner, was das für ein Verbrecher war.“
Zum 103. Geburtstag erwartet Hardegen in seinem Haus zahlreiche Gäste. Er hofft, dass sich der Besuch gut lesbar in das Gästebuch einträgt, sonst könne er sich nicht bedanken. „Können Sie Latein?“, fragt er noch und zitiert: „Tempora mutantur, nos et mutamur in illis.“ Fürwahr: Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen.
„Damals wusste keiner, was das für ein Verbrecher war.“ Ein häufig gebrauchter Satz. Heute gilt er bei vielen Zeitgenossen als "faule Ausrede". Heute unterstellt man den Altvorderen, mehr gewusst zu haben als sie hinterher zugaben. Dabei sollte man nie eines vergessen: HINTERHER ist man IMMER schlauer! Insgesamt wird die Zahl der in den Holocaust involvierten Deutschen auf rund 250.000 geschätzt von damals 70 Millionen.