Die 1905 von Alfred Graf von Schlieffen dem Großen Generalstab vorgelegte Denkschrift, blieb bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges Plan "A" des Generalstabs. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, es war auch der einzige Plan den man für den Kriegsfall hatte. Ein Plan "B" existierte nicht. Allerdings wurde der Plan in der Folgezeit etwas modifiziert, was Kritiker als "Verwässern" bezeichnen und darin die Ursachen des Scheiterns des Planes und letztendlich des gesamten Krieges sehen.
Andere hingegen sehen im weitestgehenden Festhalten am Schlieffenplan und eine zu geringe Anpassung an die aktuellen Gegebenheiten, den Schlüssel zur Niederlage.
Eine dieser "Modifizierungen" war, dass man auf einen Angriff auf Holland verzichtete und sich auf Belgien beschränkte und eine andere, dass man statt den rechten Flügel auf ein Maximum zu verstärken, Truppen ins Elsass verlegte und somit die Abwehrfront gegen französische Angriffe verstärkte und diese dann selbst in der Lage waren zum Angriff anzutreten. Diese Verstärkung erwies sich im Nachhinein wegen der einsetzenden starken französischen Angriffe als richtig.
Im Grunde beruhte der Schlieffenplan auf Annahmen und Hypothesen und setzte den Großen Generalstab darüber hinaus unter Druck, wollte man mit diesem Plan überhaupt einen Sieg erringen. "Unter Druck" deshalb, weil er einen vollständigen Sieg im Westen voraussetzte um sich dann dem Osten zuzuwenden. Ließe man sich im Westen zu viel Zeit, etwa durch politische Verhandlungen, bestand im Osten die Gefahr, dass die Russen dann bei Kriegsausbruch voll mobilisiert gewesen wären und das Kaiserreich von Anbeginn einen Zweifrontenkrieg hätte führen müssen.
Allerdings gab es vor Schliefen auch andere Vorstellungen vom Kriegsverlauf. Helmuth Karl Bernhard von Moltke, Vater des jungen Moltke, der bei Kriegsausbruch dem Großen Generalstab vorstand und somit Chef der ersten Heeresleitung war, der im Osten offensiv und im Westen defensiv operieren wolle bis die Russen geschlagen waren oder der Plan von Graf von Waldersee, der sogar einen Präventivschlag gegen Russland befürwortete.
Voraussetzung für das Gelingen des Schlieffenplanes gab es einige und keine war am 1. August 1914 erfüllt. Die Österreich-Ungarische Kriegserklärung an Serbien vom 28. Juli 1914 und die russische Mobilmachung vom 30. Juli 1914, zwangen die Deutschen zum Handeln.
Belgien öffnete seine Grenzen nicht wie erwartet für einen Durchmarsch deutscher Truppen und ebenfalls wieder Erwarten leisteten sie heftigen Widerstand. Auch unerwartet, stand Großbritannien zu seinen Verpflichtungen gegenüber Belgien. Deutsche Militärs und Diplomaten hatten geglaubt anderweitige Signale aus englischen Kreisen empfangen zu haben. Doch auch hier war der Wunsch Vater des Gedanken. Ebenso die Vorstellung, dass die Briten mit nicht mehr als 4- 6 Divisionen im Expeditionskorps auf dem Kontinent erscheinen würden. Immerhin gab es in England keine Wehrpflicht.
Schlussendlich hielten sich auch die Russen nicht an den Schlieffenplan und waren viel früher Kampfbereit als erwartet. Schon am 12. August fielen sie in Ostpreußen ein und nur fünf Tage später überschritt die ganze 1. russische Armee (Njemen-Armee) unter General Rennenkampf mit etwa 200.000 Soldaten die Grenze bei Gumbinnen und begann mit einer Offensive in Richtung nordwestliches Ostpreußen. Im Süden überquert gleichzeitig die 2. russische Armee (Narew-Armee) unter General Samsonov die ostpreußische Grenze. Hiermit allerdings hielten sie sich an Schlieffens Vorhersagen; Sie kamen mit zwei Armeen! Das Kaiserreich hatte eine rund 900 km lange deutsch-russische Grenze.
Den sich schon abzeichnenden Sieg der Russen, konnten das Feldherrenduo Hindenburg - Ludendorff zwar verhindern, aber neben militärischen Können, hatten sie in der Unfähigkeit ihrer Gegner auch einen großen Glücksbonus. Aufgrund der zahlreichen Siegmeldungen vom rechten deutschen Flügel und der alarmierenden aus Lothringen, entschloss sich Falkenhayn angesichts der Bedrohung Ostpreußens durch die Russen, zwei Armeekorps vom rechten (!) Flügel abzuziehen und zu Hindenburg nach Ostpreußen zu schicken. Ludendorff betonte später ausdrücklich: "Ich hatte nicht um sie gebeten!"
Russland konnte im Sommer 1914 1.581.000 Mann mobilisieren und bis zum Winter kamen dann noch 1.981.000 Mann dazu, so dass man auf 2.193.000 kam.
Inzwischen war der Schlieffenplan im Westen schon gescheitert. Moltke der J. hatte einen Nervenzusammenbruch und wurde durch Falkenhayn abgelöst, der nun der zweiten oberste Heeresleitung vorstand. Nun gab es zwei Oberste Heeresleitungen. DIE Oberste Heeresleitung und die ihr unterstellte Oberste Heeresleitung Ost, kurz Ober Ost genannt mit Hindenburg und Ludendorff. Diese wollten nun, angesichts der verfahrenen Situation im Westen und den erfolgreichen Schlachten im Osten, den Schwerpunkt der Kämpfe an die Ostfront verlegen.
Falkenhayn war, nicht zuletzt wohl auch aus persönlichen Gründen dagegen und setzte auf die Abnutzungsstrategie und leitete die Blutmühle von Verdun ein! Falkenhayn wusste dabei den Kaiser voll auf seiner Seite. Dabei überzeugte er ihn mit zumindest einer "Halbwahrheit". Er behauptete, durch die Wegnahme der Nordöstlichen französischen Kohlereviere, seien die Franzosen erheblich geschwächt und kaum zu längerem Widerstand fähig. Während Moltke, nun im Ruhestand aber nicht ohne Einfluss und Ludendorff/Hindenburg gegen ihn intrigierten. Vorerst ohne Erfolg...
Aber nicht nur beim Heer und in der Politik hatte man die Lage völlig falsch eingeschätzt. Ähnlich falsch lag man bei des Kaisers liebsten Spielzeug, der Marine. Erwartet hatte man eine Nahblockade der deutschen Nordseeküste und daraus war auch die Hochseeflotte ausgerichtet. Lange Seewege waren nicht ihr Ding. Aber die Briten dachten nicht daran, der deutschen Flotte entgegen zu kommen oder sich den deutschen Küstenbatterien auszusetzen. Man machte einfach eine Fernblockade und war damit auf der "sicheren" Seite und erzielte den gleichen Effekt.
Schließlich war man mit dem befürchteten Szenario eines alliierten Schiffdurchbruchs in die Ostsee um den Russen zu helfen oder irgendwo in Pommern oder Ostpreußen zu landen, weit weg von der Realität. Tatsächlich fand dieser Durchbruchversuch um den Russen zu helfen dann am 19. Februar 1915 in der fernen Türkei bei Gallipoli statt.
Doch kehren wir noch einmal zu "Rechten Flügel" zurück. Wie oben schon erwähnt war er bei weitem nicht so stark wie er hätte sein können und sein sollen. Ihm wurden Truppen zur Stärkung des linken Flügels entzogen und mehrere Armeekorps nach dem Osten geschickt, was sich im Nachhinein als unnötig erwies. Von diesen Schwächungen einmal abgesehen, lag eine Ursache der Schwäche ganz einfach darin, dass man seine Ressourcen nicht voll ausnutzte.
So gab es zwar eine allgemeine Wehrpflicht, aber sie war eben nicht allgemein und betraf lediglich 54% aller wehrfähigen Männer. Frankreich hingegen hatte 82% kriegsverwendungsfähiger Männer.
Dazu kam, dass 1913 in Frankreich eine dreijährige Wehrdienstzeit eingeführt wurde, wodurch die Friedenstärke des französischen Heeres von 550.000 Mann auf 690.000 Mann gesteigert werden konnte. Allerdings war absehbar, dass Frankreich das nicht länger als zwei Jahre durchhalten konnte. Einschließlich aller Kolonialsoldaten (Algerier, Tunesier, Marokkaner, Senegalneger) hatte Frankreich zu Kriegsbeginn 883.000 aktive Soldaten.
Bei Kriegsbeginn gab es im Kaiserreich 5.500.000 wehrfähige Männer ohne militärische Ausbildung und immerhin noch 600.000 Reservisten, die nicht einberufen worden sind. Wobei man natürlich auch die Belange der Wirtschaft berücksichtigen musste. Bei einem kurzen, weil totalen Krieg aber, konnte dieser Faktor vernachlässigt werden.
Im September 1914 stellte man dann aus den Reserve 4 Armeekorps (Ludendorff: "Der totale Krieg")* auf und um die Jahreswende 14/15 vier weitere. Also in den ersten 5/6 Kriegsmonaten 8 neue Armeekorps. Mit diesen hätte man genug Soldaten für den "starken rechten Flügel" gehabt bzw genug Truppen für die Ostfront, ohne welche aus dem Westen abziehen zu müssen. Ein Armeekorps kann natürlich verschieden stark sein. Aber für die Infanterie im 1. WK kann man von zwei Divisionen und bis zu 22.000 bis 25.000 Mann ausgehen.**
Die Bayern beteiligten sich nicht bei der Aufstellung der neuen Korps, sondern stellt stattdessen die 6. bayrische Reservedivision auf.
Überhaupt nicht in Rechnung gestellt wurden die Kapazitäten der Kolonien. Klar, warum auch? Bis auch nur ein Kolonialsoldat in Europa angekommen währe, währe der Krieg beendet. Glaubte man deutscherseits. Aber die Alliierten profitierten ganz gewaltig und auch vom Menschenpotential seiner Kolonien. ANZAC Truppen kämpften an allen Fronten, in Gallipoli und an der Somme. Ebenso Kanadier und Südafrikaner.... Allein die Franzosen rekrutierten aus Afrika und Indochina 545.000 Mann.
Insgesamt standen sich zu Kriegsbeginn 6.200.000 alliierte Soldaten und 3.500.000 deutschen und österreich-ungarischen Soldaten gegenüber.
*Andernorts ist von 6 die Rede und das schon am 16. August 1914. Diese Truppen rekrutierten sich vorwiegend aus gedienten aber nicht eingezogenen Reservisten und ungedienten Freiwilligen, sowie aus freiwillig in den Dienst zurückkehrenden Pensionären aus dem Unter- und Offizierskorps. Vier dieser Korps gingen nach Westen, 2(?) in den Osten. Diese neuen Korps im Westen fanden sich zwischen Marne und Lille wieder und nahmen an der legendären Schlacht bei Langemarck teil.
** In seinen Ausführungen, sie stammen von Ludendorff ("Der totale Krieg"), vergisst er aber zu erwähnen, dass die Sollstärke an Soldaten das Eine, deren Bewaffnung und Ausrüstung aber das Andere ist.
War die Ausbildung und Ausrüstung in Friedenszeiten gut, so brach sie nach Kriegsbeginn fast zusammen. Für die Unterbringung der vielen Freiwilligen war kaum genügend Platz vorhanden. Es gab nicht genügend Uniformen, nicht genügend Gewehre, bajonette, Stahlhelme, Feldspaten, Koppel, Stiefel, Munition- kurz, es fehlte an allem. Am Schlimsten aber macht sich der Mangel an Ausbildern und fähigen Unteroffizieren und Offizieren bemerkbar.
Die Kampfkraft der neu aufgestellten Korps war mangelhaft und deren Leistungsfähigkeit äußerst fragwürdig. Selbst bei der Artillerie mangelte es mal an den Geschütze, mal an den Pferden, mal an den Protzen, mal am Geschirr und immer an der Munition zum Üben und später für den Kampfeinsatz.
Also der Ansatz Ludendorffs, man hätte gleich zu Kriegsbeginn mit mehr aktiven Soldaten operieren sollen, lässt da doch einige Fragen offen und lässt Zweifel an der Richtigkeit dieser These aufkommen.