Die Versenkung der „City of Benares“ - Kindermord auf hoher See?
Schon zu Kriegsbeginn gab es in Grossbritannien Evakuierungspläne für Kinder im Falle der Bombardierung britischer Städt durch die deutsche Luftwaffe. Diese Evakuierung war aber eher als Landverschickung gedacht, wie sie später auch in Deutschland praktiziert wurde.
Es gab daneben aber auch Bestrebungen, Kinder aus gefährdeten Gebieten ins Ausland in Sicherheit zu bringen. Von einer Insel und dem damaligen Entwicklungsstand der Luftfahrt war dies nur über See effektiv möglich.
Unabhängig von den staatlichen Bemühungen die Kinder im Inland zu verteilen gingen auch Transporte über See ins Ausland. Zwecks der Evakuierung hatte man eigens ein eigenes Programm mit einer eigenen Organisation gegründet: „Children‘s Overseas Reception Board“, kurz CORB.
Dem CORB lagen bald um die 210.000* Evakuierungsanträge vor, von denen die meisten in bombensicherere Umland, wie zB. nach Schottland erfolgten. 2.664 Kinder, sogenannte „Seaevacuees“, wurden über einen Zeitraum von drei Monaten nach Übersee evakuiert. Nach Kanada kamen 1.532 in 9 Gruppen. Australien, nahm 577 Kinder auf, 353 kamen in drei Gruppen nach Süd- Afrika und 202 Kinder, ebenfalls in zwei Gruppen, nach Neu Seeland. 24.000 Kinder mit insgesamt rund 1.000 Begleitern. Auf dem Höhepunkt ihres Wirkens beschäftigte CORB rund 620 Mitarbeiter.
Diese Aktionen wurden zwar gebilligt, aber offiziell nicht genehmigt. Churchill selbst hielt diesen Weg der Evakuierung für zu gefährlich. Zwischen dem 21. Juli und 20 September 1940, wurden bei16 Fahrten 2.664 Kinder evakuiert, die bei Gasteltern in Kanada, Australien, Neuseeland und Südafrika, vorübergehend ein neues Leben beginnen sollten.
Für einige von ihnen aber endete es vorzeitig und unerwartet, so für die 77 toten Kinder auf der „City of Benares“. 77 Tote von insgesamt 90 Kindern, die sich auf den Weg von Liverpool nach Kanada befanden. Das Alter der Kinder lag zwischen fünf und fünfzehn Jahren.
Die ersten Kinder, 39 Jungen und 43 Mädchen verliessen am 20. Juli 1940 auf der „Anselm" England und am 7. Sep. 34 Kinder auf der „Narissa“. Die „City of Benares“ sollte das dritte Schiff mit insgesamt 90 Kindern sein.
Am späten Abend des 13. Septemder 1940 verliess das Schiff Liverpool mit Ziel Quebec und MontreaL. Ein weiteres Schiff hatte ebenfalls Kinder an Bord, 18 an der Zahl und Tragflächen für Flugzeuge, die wohl nach Kanada geliefert werden sollten. Insgesamt 18* Schiffe wurden zum Konvoi OB- 213 zusammengefasst, die von 3 Zerstörern begleitet/gesichert wurden.
Als der Konvoi die vermeintlich gefährliche Zone durchquert hatte, wurden die Kriegsschiffe zur Sicherung eines reikommenden Geleitzuges, HX71, von OB-213 abgezogen. Zwar wurde der Konvoi damit aufgelöst, aber die Schiffe blieben beisammen und die „City of Benares“ als das grösste Schiff, setzte sich an die Spitze.
Aufgrund des schlechten Wetters musste Fahrt weggenommen werden.
Zwischen 600 und 1000* Kilometer, am 17 Sept. vor der Irischen Küste, wurden die Schiffe von U 48(ein Boot des TypsVII B)** unter Kptlt. Heinrich Bleichrodt auf seiner 8. Feindfahrt entdeckt und mit Torpedos um 23:45 Uhr angegriffen. Beide Torpedos verfehlten ihr Ziel. Um 00:01, der neue Tage hatte soeben begonnen, traf ein dritter Torpedo das Achterschiff der „City of Benares“.
Der Dampfer wurde durch einen G7e-Torpedo versenkt. Er hatte 406 Passagiere und Besatzungsmitglieder an Bord. 248 Menschen kamen um‘s Leben. 158* Passagiere und Besatzungsmitglieder wurden gerettet. Andere Quellen sprechen von nur 105*.
Während des Rückzuges traf U 48 zwei weiter Schiffe des Konvois und versenkte sie. Eines der Schiffe war der britische Dampfer „Marina“ mit 5.088 BRT. Er hatte 5.700 t Stückgut und Kohle geladen, wobei es zwei Tote und 37 Überlebende gab.
Besonders tragisch war das Schicksal der Überlebenden in Rettungsboot Nummer 12. Nachdem die Retter mit der HMS „Hurricane" um 14:15 die Unglücksstelle erreicht hatten und man mit der Bergung der Überlebenden begann, zählte man unglücklicherweise ein Rettungsboot der ebenfalls versenkten „Marina“ zu den Booten der „City of Benares“ und beendet die Bergung in der Annahme, alle Toten und Überlebenden geborgen zu haben.
Unterdessen war Boot 12 weit von der Stelle des Geschehens abgedriftet. Die 50 Menschen an Bord waren den Elementen hilflos ausgeliefert, da Ruder und Segel gleich zu Beginn über Bord gegangen waren.
Der Verpflegung für 3 Wochen stand ein Wasservorrat von nur einer Woche gegenüber. Nach 8 Tagen endlich wurde das Boot gesichtet und 24 Stunden später von der HMS „Anthony“ geborgen. An Bord befanden sich auch noch 13 überlebende Kinder.
Natürlich gab es weltweit einen Aufschrei der Empörung, als die Versenkung der „City of Benares“ und der Tod der 77 Kinder bekannt wurde. Der amerikanische Aussenministen bezeichnete den Angriff als „Feigheit ohnegleichen“!
Nach dem Krieg versicherten die Überlebenden von U 48 glaubhaft, nichts von den Kindern an Bord des Schiffes gewusst zu haben. Auch fand der Angriff Nachts statt und die „City of Benares“ glich mit ihren zwei grossen und gut sichtbaren Ladebäumen eher einem Handelsschiff, als einem Passagierdampfer.
Die „City of Benares“ fur nun mal an der Spitze und bot sich als Ziel an, zumal sie auch das mit Abstand grösste Schiff im Konvoi war und wir erinnern uns:“Ein weiteres Schiff hatte ebenfalls Kinder an Bord, 18 an der Zahl und Tragflächen für Flugzeuge, die wohl nach Kanada geliefert werden sollten.“
* Zahlenangaben können je nach Quelle schwanken.
** U 48 gilt als das erfolgreichste U-Boot des Zweiten Weltkrieges. Es versenkte während seiner Dienstzeit auf 12 Feindfahrten den Rekord von 52 Schiffen mit einer Gesamttonnage von 307.935 BRT und beschädigte eine Sloop und zudem noch drei Schiffe mit einer Gesamttonnage von 20.480 BRT.
„City of Benares“
Die City of Benares war ein 1936 in Dienst gestelltes Passagierschiff der britischen Reederei Ellerman Lines das Passagiere und Fracht von Liverpool zunächst nach Bombay und später nach Kanada brachte.
Das 11.081 BRT große Dampfschiff City of Benares wurde auf der Werft Barclay, Curle and Company im Glasgower Stadtteil Whiteinch gebaut und lief am 5. August 1936 vom Stapel. Der Passagier- und Frachtdampfer war 148,16 Meter lang, 19,08 Meter breit und hatte einen maximalen Tiefgang von 9,35 Metern. Im Oktober 1936 wurde das Schiff fertig gestellt.
Das Schiff wurde von drei ölbeheizten Dampfturbinen von Cammell, Laird & Company angetrieben, deren 1.450 PS auf einen einzelnen Propeller wirkten und eine Geschwindigkeit von 15 Knoten (27,8 km/h) ermöglichten. Das Rufzeichen der City of Benares war GZBW. Der Dampfer konnte 219 Passagiere aufnehmen und wurde in Friedenszeiten von einer 209-köpfigen Besatzung betrieben. Benannt wurde sie nach der Stadt Varanasi (damals Benares) im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh.
City of Benares