Frankfurter Rundschau › Kultur Untersuchung zur „Endlösungs“-Politik Professionelle Camouflage Historiker Ahlrich Meyer zeigt in seinem neuen Buch "Das Wissen um Aussschwitz" wie die Kenntnisse der Tat bei Tätern und Opfern verschleiert wurden.
Nach seiner grundlegenden Untersuchung der Aussagen deutscher Teilnehmer an der „Endlösungs“-Politik („Täter im Verhör“, WB 2005) legt der Oldenburger Historiker Ahlrich Meyer mit „Das Wissen um Auschwitz“ nun eine Untersuchung sowohl des „Wissens der Täter“ sowie der damit kontrastierenden Zeugnisse der „Holocaust“-Überlebenden vor. Meyer geht es darum, die Grenzen der Erfahrbarkeit des „Holocaust“, somit des Wissens sowohl von Opfern und Tätern, aufzudecken.
In seiner umfassenden Auswertung der überlieferten Quellen wendet er sich gegen vereinfachende Slogans wie der Beschreibung von Auschwitz als einem „Niemandsland des Verstehens“ und „einem schwarzen Kasten“ der Erklärung (Dan Diner). Aussagen von Zeugen und Beschuldigten, schon zur Tatzeit zunehmende Gewissheit über den Massenmord erlangt zu haben, sind in aller Regel retrospektiv, beleuchten aber die tatsächlichen Handlungsoptionen eines weit größeren Täterkreises. Bei beiden Zeugengruppen überwog die Einstellung, das unfassbare Gewaltgeschehen einfach nicht zu glauben.
Ahlrich Meyer geht im Verlauf seines Buches weit über das in Titel und Einleitung avisierte Ziel hinaus. Während des Lesens erscheint es oft schwierig, der Argumentation Meyers zu folgen, der sein Thema und seine grundsätzlichen Fragen eher umkreist als konsequent verfolgt. Erst in der Rückschau wird deutlich, dass es sich um ein analytisch sehr intensives Ringen um das Verstehen der Prozesse handelt, die zur Vernichtung der Juden führten.