Germersheim ist ein an und für sich kleines, verschlafenes und auch recht unbedeutendes Städtchen in der Südpfalz am Rhein gelegen. Zur besseren Lokalisierung wird meist noch hinzugefügt: Das liegt bei Speyer (13 Kilometer südlich davon).
Bekannt ist es, wenn überhaupt, den Menschen nur durch seine Festungswerke, die zu einem doch beachtlichen Teil noch erhalten sind und teilweise begangen und besichtigt werden können.
Neulich fiel mir durch einen glücklichen Zufall, ein Buch über Germersheim und seiner Geschichte in die Hand. Da gab es einiges neues zu entdecken, zur Festung und zum damaligen Zeitgeschehen.
In Erinnerung der Napoleonischen Kriege fasste der Deutschen Bundes 1815 den Beschluss die kleine Stadt am Rhein zu einer starken und wehrhaften Festung mit Garnison auszubauen, um zusammen mit Landau das linke Rheinufer gegen drohende Angriffe aus Frankreich zu schützen.*
Zu der Zeit war Elsaß-Lothringen noch französisch, dass sich ja bekanntlich erst nach dem Krieg 1870/71 änderte.
Nachdem das bayrische Kriegsministerium den Ingenieur-Major Friedrich Schmauß beauftragt hatte, einen Befestigungsplan auszuarbeiten, wurde 1834 mit den Arbeiten zum Bau der Festung begonnen. Am 18. Oktober 1834 fand im Auftrag des bayrischen Königs Ludwig I. die Grundsteinlegung statt. Der bau dauerte 1834 bis 1861 und galt bei Baubeginn als uneinnehmbare Festung und als "Bollwerk gegen Frankreich". Damit hatte Germersheim die größte bayerische Festung außerhalb Bayerns doch bereits bei ihrer Fertigstellung war die zuvor als uneinnehmbar geltende Festung überholt(Ziegelbau) und durch den Fortschritt der Militärtechnik als veraltet anzusehen. **
Die Stadt zählte im Jahr 1867 genau: 3554 Zivilisten, die fast allesamt vom Bedarf des Militärs lebten und 6627 Militärangehörige.
Es kam aber ohnehin zu keinen ernsthaften Gefechten. Im Krieg von 1870/71 kam Germersheim eine strategische Bedeutung zu, da von hier aus die Operationen der 3. Preußischen Armee unter Führung des Kronprinzen Friedrich ausgingen. Die Festung selbst war nie umkämpft. Während des 1. Weltkrieges war Germersheim Garnisonsstadt. Auch in diesem Krieg fanden keine Kämpfe um die Festung statt. In den Jahren 1920/21 wurde die Festung aufgrund des Artikel 180 des Versailler Vertrages geschleift.
ABER, zum Glück blieben für uns heute noch genügend Bauwerke der Festung erhalten, auch weil einige von ihnen "entfestet" und einer zivilen Nutzung zugeführt wurden!
Soweit so gut. Die Germersheimer Festung war also als "Bollwerk gegen Frankreich" gedacht, war aber auch nie umkämpft und dennoch kam der "Erbfeind" über den Rhein und ließ die Festung, deren militärischer Wert ohnehin kaum der Rede wert war, schleifen. Die Franzosen besetzten Germersheim erstmals im Jahre 1918.
Die letzten deutschen Soldaten hatten die Stadt, unter zurücklassung eines mit russischen und italienischen Kriegsgefangenen gefüllten Lager, rund 10.000 Mann, am 24. November 1918 verlassen und schon am 25. rückte ein französisches Vorauskommando in die Stadt ein. Es bestand aus 9 Offizieren, die im Hotel "Salmen" Quartier nahmen.
Am 2. Dezember dann, kam ein französisches Jägerbataillon, welcher zu aller erst mit, den auch in Germersheim ausgebrochenen revolutionären, revolutionären Unruhen Schluss machte!
Wie nun empfanden die Germersheimer diese Besetzung durch den "Erbfeind"? Hier ein Bericht aus dem Jahre 1919:
"Im Übrigen benehmen sich die Franzosen Maßvoll, zu Besorgnissen ist kein Grund vorhanden. Von gewissen Seiten bringt man ihnen Sympathien entgegen, was in einem solchen Maß nicht am Platz ist.
Im Allgemeinen ist die Haltung der Bevölkerung würdig; man beklagt sich nur über die Vernachlässigung seitens der anderen Rheinseite."
Dennoch blieb das Zusammenleben der Germersheimer mit den Besatzungssoldaten nicht spannungsfrei und es galt viele Probleme zu meistern und zu überwinden.*** Die Besetzung endete dann im Juni 1930.
1936 marschierte die Wehrmacht in die laut Versailler Vertrag entmilitarisierte Zone des Rheinlandes ein und stellte die deutsche Wehrhoheit wieder her und in Germersheim wurden wieder Soldaten stationierte - allerdings nur um ein Bataillon.
Im Januar 1945 wurden einige Häuser durch einen britischen Luftangriff beschädigt. Bedeutsamer für die Stadt war aber die Sprengung der Eisenbahnbrücke durch die zurückziehende Wehrmacht, die, nachdem die Speyrer Brücke am 23. März gegen 12 Uhr gesprengt wurde, die letzte intakte Brücke über den Rhein war. Um möglichst starke Feindverbände zu binden, bildete sich der Brückenkopf Germersheim. Gleichzeitig wurde Germersheim Fluchtpunkt für tausende Flüchtlinge, die alle über die mit Bohlen ausgelegte Brücke vor den Alliierten über den Rhein zu fliehen versuchten. Am 24. März schließlich wurde die Brücke gesprengt und blieb es bis 1967, als die neue Eisenbahnbrücke in Betrieb genommen werden konnte.
Bevor die Amerikaner die Stadt stürmten, gab es noch eine kurze Artillerievorbereitung, so dass nach der Besetzung rund 35% des Wohnraums unbewohnbar war. Außerdem waren zahlreiche Brände ausgebrochen, als die Amerikaner am Nachmittag des 24. März die Stadt kampflos besetzten.
Am nächsten Tag schon durften die auf die Dörfer geflohenen Germersheimer wieder in ihre Häuser bzw das, was von ihnen übrig geblieben war, zurück kehren.
Doch wie schon lange vor Kriegsende beschlossen, sollte Germersheim wieder französisch werden, zumindest französisch besetzt. Die Amerikaner zogen wieder ab und die folgende französischen Besetzung schuf das Land „Rheinland-Pfalz“.
Wie nun vollzog sich die Besetzung Germersheim durch die Franzosen. Lassen wir einen Augenzeugen sprechen, Hans Keller:
"Am Karfreitag den 30. März 1945, einem sonnig hellen Frühlingstag, saß ich am Nachmittag auf der Treppe des Hauses, harrend der Dinge, die nun noch kommen würden. Ich war mutterseelenallein, der einzige Zivilist weit und breit. Da kam von der Hauptstraße her eine Kolonne farbiger Soldaten. Es waren Kolonialtruppen der ersten Französischen Armee, die von Süden her in die Stadt gekommen war, um sie zu besetzen bzw von den Amerikanern zu übernehmen.
Im Zeughaus nahmen sie Quartier. Dann überfielen sie die Häuser und Wohnungen der naheliegenden Straßen wie ein Heuschreckenscharm und plünderten und raubten, was ihnen gefiel. Als die Dämmerung eintrat fuhren sie mit Lastwagen an und schleppten fort , was diese Wagen trugen."
Sie stammten aus Madagaskar, Marokko, Algerien , dem Senegal und Tunesien.
*Das französische Germersheim
Mit dem Frieden von Campo Formio (1797) wurde schließlich die linke Rheinseite, so auch Germersheim, Frankreich zuerkannt. Ein Jahr darauf wurde die Stadt Teil des französischen Département du Mont Tonnerre (Donnersbergkreis). Bis zu Napoleons Niederlage nutzten die Franzosen die Stadt als Quartier und wichtigen Rheinüberquerungspunkt.
**Das bayerische Germersheim
Nach dem Wiener Kongress aus dem Jahr 1814 (1815) wurde Germersheim zunächst von Österreichern verwaltet, bis 1816 die Pfälzer Lande an König Maximilian I.Joseph von Bayern (1756–1825) abgetreten wurden. Dieser teilte sein neues Gebiet in „Landeskommissariate“, den Vorläufern der „Landkreise“. 1818 entsteht das Landeskommissariat Germersheim
***Der „Fall Rouzier“
Den Höhepunkt dieser Konflikte stellte der „Fall Rouzier“ dar, der weit über die Grenzen Germersheims für Aufsehen sorgte. In der Nacht auf den 27. September 1926 hatten in einem Wirtshaus Deutsche und Franzosen einen Streit, der darin endete, dass der französische Unterleutnant Rouzier einen Deutschen erschossen und weitere angeschossen hat. Rouzier wurde daraufhin von der französischen Militärjustiz freigesprochen,....
Die "." Zitate stammen aus "Germersheimer Geschichte(n), Ludwig Hans.