Im Frühjahr des Jahres 2016 besuchte ich eine Teilabschnitt der Maginotlinie nahe dem Städchen Lembach. Da ich mich nicht mit der Vorgeschichte dieses Werkes beschäftigt hatte, nahm ich an, es handle sich dabei einfach um ein beliebiges Stück besagter Verteidigungslinie. Erst währen der Führung dämmerte es mir, dass dieses Stück Anlage ein besonderes Stück war.
Nicht weil hier besonders schwere oder spektakuläre Kämpfe ausgetragen wurden oder dieses Werk "Four à Chaux" (Kurz: FAC bezeichnet) irgendwelche baulichen Besonderheiten aufzuweisen hatte. Im Grunde glich es den anderen eher kleineren Werken der Maginotlinie. Die Besonderheit bestand in der von den Deutschen für dieses Werk vorgesehenen Verwendung.
Doch kommen wir erst mal zum Werk selber. Es ist ein kleiner Teil der großen Maginotlinie, die von der Schweiz bis an den Kanal reichte und in einer gewissen Weise auch seine Fortsetsetzung in den belgischen Forts von Namur und Liege fand. Der Abschnitt gegen Belgien ist nur relativ leicht befestigt, Feldstellungen und Bunkeranlagen OHNE Artillerie.
Die Abschnitte gegen Luxemburg und Deutschland hingegen sind schwerbefestigte Bunkeranlagen bestückt mit Artillerie aller Kaliber. "Four à Chaux" liegt genau betrachtet fast genau in der Mitte der rund 750 km langen Maginotlinie, auf einem 270 m Hohen Berg zwischen der Sauer und dem Schmelzbach und hat eine Gesamtausdehnung von 650 m. Das Werk Infanteriewerk Lembach schließt es in 1,5 km Entfernung nach Nordwesten ab. Ihm schließt sich der Festungsabschnitt "Vogesen" an.
Allgemein wird in den Geschichtsbüchern über die Kämpfe an der Magniotline kaum berichtet und meist finden sie noch nicht einmal eine Erwähnung. Lapidar heißt es da immer, die Magniotlinie wurde umgangen. Das stimmt so allerdings nur zum Teil. Es fanden durchaus Kämpfe um diese Linie statt und sie wurde an verschiedenen Stellen auch von deutschen Truppen durchbrochen und auch um Lembach wurde gekämpft.
1938 wurde das Artilleriewerk ("Four à Chaux" ) mit Truppen des „165e régiment d'infanterie de forteresse“ (165. Festungsinfanterieregiment) und des „168e régiment d'artillerie à pied“ (168. Fußartillerieregiment) belegt. Die friedensmäßigen Kasernen lagen außerhalb der Bunkeranlagen.
Das Werk bei Lembach unterscheidet sich von den großen Anlagen der Magniotlinie im Grunde nur durch Details, die eben seiner geringen Größe geschuldet sind. Es gab keine Feldbahn im eigentlichen Sinne, sondern nur verschiedene Waggons, die mittels Rampen, Gegengewichten und Muskelkraft auf Gleisen bewegt wurden. Lediglich am Munitionseingang gab es einen elekrisch betriebenen Schrägaufzug. Alles andere aber war vorhanden, vom Gasfilter bis zum OP Raum - aber eben alles ein zwei Nummern kleiner.
Der "drole du guerre" endete für Lembach und dem Werk "Four à Chaux" am 18. Januar 1940. An diesem Tag schlagen im Werk "Four à Chaux" 80 deutsche Granaten in und um den Kampfstand 2 (75mm Kanone) ein und am 17. März erfolgt ein Gasalarm. Angeblich sollen Gasgranaten (Senfgas) auf Gefechtsstand 6 eingeschlagen sein*. Vom 12. bis 13. Mai und dann noch einmal am 20 Mai greift der Gefechtsstand 2 in die Kämpfe in der Umgebung zugunsten der "Zwischenraumtruppen" ein.
Zwischen dm 15. und 17. Juni beginnt die deutsche Aufklärung gegen das Werk "Four à Chaux" und Lembach und die Kampfstände 12, 13 und 14 greifen aktiv in die Kämpfe ein. Hierbei geht es lediglich um den Schutz der "Zwischenraumtruppen". Das sind die französischen Truppen, vor und zwischen den Panzerwerken, die ein Umgehen dieser verhindern bzw die Werke gegen direkte Infanterieangriffe schützen sollen. Inzwischen bringen aber auch die Deutschen schwere Artillerie in Stellung.
Am 19. Juni begann der Angriff der 215. Infanterie-Division auf die Maginot-Linie bei Lembach-Wörth mit der Unterstützung von 30 Stuka auf das gesamte "Four à Chaux" und später 27 auch auf das Infanteriewerk Lembach. Anders als die schwere deutsche Artillerie, erlangten die Stukas Treffer auf dem Werk. Gefechtsstand 6 und 2 werden beschädigt. Flak der Umgebung und der Zwischenraumtruppen nahmen die Flugzeuge unter Beschuß. Die Werke selber verfügen über keinerlei Luftabwehr.
Außerdem fällt die telefonische Verbindung zu den "Zwischenraumtruppen" aus, so dass die Artillerie vom "Four à Chaux" keine Feuerunterstützung mehr geben konnte. Den Truppen der 215. deutschen Infanteriedivision gelang der Durchbruch durch die ohnehin nur mäßig befstigten französischen Stellungen zwischen Bitsch und Hagenau.
Immerhin gelang es dem 135 mm Geschütz aus Gefechtsstand 1 (mal ließt man ein, dann wieder zwei Geschütze), eine deutsch 75 mm Batterie, die bei Gries, nordwestlich von Lembach stand und den Gefrechtsstand 5 beschoß, zu vernichten. Auch die deutche Infanterie und einige Häuser in Lembach nahmen einigen Schaden durch die französischen Geschütze.
Das Artilleriewerk "Four à Chaux" schoß seine letzten Granaten am 24. Juni 1940 gegen 17:00 Uhr ab, aber erst am 1. Juli, also sechs Tage nach dem Waffenstillstand, ergab sich die Besatzung des "Four à Chaux" befehlsgemäß.
Die Verluste bei den Kämpfen um das Werk "Four à Chaux" und Lembach waren verhältnismäßig gering. Die 215. ID verlor insgesamt 31 Tote und 100 Verwundete und die französischen Verteidiger 15 Tote und 1460 Mann die in die Gefangenschaft gingen.
Tja und damit befanden sich die ganze Anlage, weitestgehend in Takt, in deutschen Händen. Im Grunde aber war sie für Deutschland militärisch unbrauchbar. Ihre ganze Verteidigungsstruktur war nach Osten ausgerichtet. Nach Westen, also nach hinten war sie nur bedingt und auch nur zur Selbstverteidigung geeignt mit Mg -Stellungen
und Beobachtungskuppeln versehen. Außerdem hatte man aus den Kämpfen um Verdun gelernt und die Bunkeranlagen so gebaut, dass ihre Panzerungen nach hinten deutlich geringer waren als nach vorne. Der Grund liegt auf der Hand; Sollten die Anlagen in Feindeshand gefallen sein und man sie zurück erobern mußte, sollte es leichter gehen als seinerzeit bei der Rückeroberung vom "Fort Douaumont", wo die Franzosen quasi gegen ihre eigenen Befestigungen lange vergeblich anrannten, da das Fort rundum gleichermaßen befestigt war.
Doch die Deutschen fanden auch für dieses Gemäuer eine Verwendung. ALLES brauchbare wurde ausgebaut und anderswohin gebracht. Die Geschütztürme allerdings beließ man wo sie waren. Ihr Ausbau wäre zu umständlich gewesen und man hätte auch zu dieser Zeit nicht gewußt, wohin mit ihnen.
Merkwürdigerweise lief das Unternehemn, das nun begann unter dem Decknamen "Taifun". Man erinnert sich; der Angriff auf Moskau trug den selben Namen "Operation Taifun"! Dazu wurden deutsche Pioniertruppen in die Kasernen einquartiert. Die Versuche begannen allerdings erst 1942.
Der Sinn der nun beginnenden Versuche bestand darin, eine neue Methode zu entwickeln, solche Panzerwerke schnell und effektiv zu bekämpfen und zu zerstören. Das wollte man durch Einführen von Gas in die Panzerwerke erreichen, welches sich im Werk ausbreiten sollte um dann gezündet zu werden. Die Befestigung sollte als von innen heraus gesprengt werden bzw, die Beatzung durch den entstehenden Überdruck, bis zu 40 atü getötet werden. Schotte und Verbindungstüren würden ebenfalls zerstört oder aufgesprengt werden.
Als Gas diente Äthylen (Ethylen), das in Verbindung mit dem Luftsauerstoff eine hochexplosiver Verbindung eingeht und entsprechend explodiert, wenn es, wie geplant elektisch gezündet wird. Dazu mußte man es natürlich erst in die Bunkeranlage einführen. Das sollte durch Löcher geschehen, die zuvor von Stoßtrupps in eine der Panzerkuppeln gesprengt wurden. Immerhin betrug die Dicke der Panzerkuppeln bis zu 30 cm und das war kein Dosenblech. Außerdem mußte der innere Überdruck überwunden werden, der im Innern gegen Gasangriffe von außen erzeugt wurde.
Wie immer bei solchen Versuchen, wenn Neuland betreten wurde, mußte man durch Versuchen und Fehler (trial and error = Versuch und Irrtum) lernen. Der erste Versuch erwieß sich als voller Erfolg aber zu "voll"! SO hatte man sich nicht ganz gedacht. Die damals angerichteten Zerstörungen war immens und auch später irreparabel. Der 70 t schwere Turm vom Gefechtsstand 1 flog durch die Luft und landete einige Meter neben seinem ursprünglichen Platz. In der Folgezeit wurden dann weitere Versuche mit unterschiedlichen Gasmengen durchgeführt, was auch den unterschiedlichen Zerstörungsgrad des Werkes erklärt.
Nach dem 2. Weltkrieg begann das 2. Leben von "Four à Chaux". Das französische Militär gedachte "Four à Chaux" wieder in Betrieb zu nehemen. Diesmal sollte es nicht die Deutschen abwehren, mit denen man bald schon im Rahmen der NATO verbündet war, sondern die Rote Armee, den ehemaligen Verbündeten. Zwischen 1951 und 1953 ließ die französische Armee das Werk bis auf Block 1 wieder instand setzen. Die militärische Nutzung der Anlage gingen bis zum Jahr 1967.
Nicht alles wurde wieder hergestellt. Block 1 (Gefechtsstand der 135 mm Kanone(n) und einige andere Teile) bleiben für Touristen unzugänglich. Zum Teil wurden sogar Originalteile aus anderen Festungswerken der Maginotlinie verwendet zum Teil neue Gerätschaften. Im Grundegenommen eine Schnappsidee aber für historisch interessierte Zeitgenossen ein Glücksfall, denn dadurch kann man ein gut erhaltenes Stück Zeitgeschichte noch heute besichtigen.
Four à Chaux (auf Deutsch: Kalkofen. Benannt nach einer sich in der Nähe befindlichen Kalkbrennerei)
Typ: Artilleriewerk (mit beigefügten Infanteriewerken für die Zwischenraumtruppen. In der Regel sogenannte Blockhäuser))
Festungsabschnitt: Vosges
Besatzung: 580 Mann des 165. RIF u. 168. RAP ( „165e régiment d'infanterie de forteresse“ (165. Festungsinfanterieregiment) und des „168e régiment d'artillerie à pied“ (168. Fußartillerieregiment) davon 24 Offiziere und 79 Unteroffiziere.
Kommandant: Major Exbrayat
Aufbau
Eingänge: 1 × für Mannschaften (ebenerdig)
1 × für Munition (Schrägstollen, aufwärts)
Kampfblöcke: 3 × Artilleriebunker, 2 × Infanteriebunker, 1 × Infanteriekasematte
Stromversorgung: 4 × Sulzeraggregate mit je 160 PS
Munition und Bewaffnung
Die Munitionsanlieferung erfolgte über Feldbahn oder LKW. Im Inneren wurden die Loren von Hand geschoben, außer am Munitionseingang selber. Dort gab es einen elektrisch betriebenen Schrägaufzug (siehe oben). Die Anlage war für einen Munitionsverbrauch von ca. 40 t pro Großkampftag ausgelegt.
Munitionslager: Nur ein Nebenmunitionslager bei den Kampfblöcken (Kampfständen).
Block 1: 1 × 13,5-cm-Turm (Haubitze mit einer Reichweite von 6.500 m und einer Feuerrate von 6 Schuß pro Minute.)
2 × GFM-Glocken
Block 2: 1 × 7,5-cm-Turm Mod.32. (Reichweite 9.500 m bei einer Feuerrate von 12 bis 14 Schuß pro Minute.)
1 × GFM-Glocke
1 × JM-Glocken
Block 3: 1 × 8,1-cm-Turm (Typ: Granatwerfer. Reichweite 3.500 m mit 18 Schuß pro Minute)
1 × GFM-Glocke
1 × LG-Glocke
Block 4: 1 × GFM-Glocke
1 × VDP-Glocke
2 × JM-Glocken
Block 5: 1 × MG-Turm
1 × GFM-Glocke
Block 6: 1 × 4,7-cm-PAK/JM
1 × JM, 1 × GFM-Glocke
1 × JM-Glocke, 1 × VDP-Glocke
Munitionseingang: 1 × 4,7-cm-PAK/JM
1 × GFM-Glocke
Mannschaftseingang: 1 × 4,7-cm-PAK/JM
2 × GFM-Glocken
Die GFM-Kuppeln
Eine oder sogar zwei GFM-Kuppeln überragen alle Blöcke. Die Kuppeln, aus 30 cm starkem Spezialstahl gegossen, sind tief im Beton verankert. Ihr Gewicht beträgt 26 Tonnen.
Sie haben mehrere Schiessscharten, wodurch direktes Feuer mit Schnellfeuergewehren oder indirektes Feuer mit Granatwerfern möglich ist. Mittels eines Periskopes dienen diese Öffnungen auch der Beobachtung.
Es ist leicht möglich, beide Waffen sowie das Beobachtungsgerät auszuwechseln und in der Schiessscharte zu befestigen. Ein Periskop, das kleinere Vergrösserungs-
möglichkeiten besitzt, kann durch eine kleine obere Öffnung ausgefahren werden.
Einige dieser Kuppeln slnd speziell zur Artillerie-Beobachtung angepasst worden.
An Stelle des Periskop befindet sich dort dann eine Fernglas-Einrichtung.
Epilog
Da der Besuch in dem "Four à Chaux" nicht geplant war, gab es hinterher einige Fragen, die sich aber erst beim Schreiben dieses Beitrages stellten. Das heißt, solche Besuch sollte man vielleicht doch beser VORHER planen. Aber egal, der Besuch hat sich gelohnt. Letztendlich aber war ich froh, dieses Werk wieder verlassen zu können und das nach nur einer halben Stunde. Wenn man sich dann vorstellt, dass die Soldaten wochenlang oder gar noch länger dort verbringen sollten, läuft es einem noch heute kalt den Rücken runter.
Zwar versicherte der "Führer". dass es sich um für damalige Verhältnisse um ein modern eingerichtetes Werk gehandelt habe aber dennoch...Die ganze Zeit über kam man sich wie in einer Tropfsteinhöhle vor. Es plätscherte überall und man stelle sich mal vor, wenn 580 Männer mit all ihren Ausdünstungen (trotz Belüftung) dort wochenlang leben sollten. Der Gedanke an das Innere eine U-Bootes liegt da nicht so fern. In der ganzen Bukeranlage gibt es ein leichtes Gefälle und auf dem Boden befinden sich Wasserrinnen, in denen tatsächlich ständig Wasser abfließt!
Wie auf diesen, gab es für 3 Mann auch nur ein Bett. Einer schlief, einer hatte Bereitschaft und einer saß im Gefechtsstand. 24 Mann teilten sich in 3 Etragen ebensoviele Betten. Na, dann Gute Nacht!
Wasser gab es, außer von den Wänden, aus einem eigenen artesischen Brunnen, der 6.000 l Wasser je Stunde lieferte. Apropos Wasser: Ein Wasserhahn für 12 Mann, eine Dusche für 100 Mann und ein "türkisches Klo" für 40 Mann.