Im Oktober 1917 gab es bei der OHL für die im Frühjahr 1918 geplante neue Offensive eine Berechnung von 30 bis 35 Divisionen, die man dafür bereitstellen könne.
Diese Divisionen wollte man durch Frotbegradigungen (Rückzug) und frei werdende Truppe aus dem Osten* bekommen.
Allerdings verbesserte sich bis zum März 1918 die Situation an der Westfront deutlich. Bis zum 14. März wurden aus dem Osten und Italien 42 Divisionen herangeführt und bis
zum 1. April 10 weitere. Somit befanden sich an der Westfront zahlenmäßig 193 Divisionen einschließlich 85 der Reserve**. Dem gegenüber verfügten die Alliierten im selben
Zeitraum über 183 aktive und 73 Reservedivisionen. Die Amerikaner waren in nennenswerter Zahl auf dem Kampffeld noch(!) nicht vertreten.
Als Frühjahrsoffensive, meist einfach "Michaeloffensive"* genannt, bezeichnet man eine Serie von insgesamt vier einzelne Offensiven des deutschen Heeres an der Westfront im
Frühjahr des letzten Kriegsjahres 1918. Die erste begann am 21. März 1918; die vierte Mitte Juli – ein letzter deutscher Offensivversuch an der Marne. Angefangen mit der
Operation Michael (auch Große Schlacht in Frankreich oder Kaiserschlacht genannt) war diese Frühjahrsoffensive der letzte Versuch der OHL, an der Westfront einen für die
Mittelmächte günstigen Ausgang des Krieges herbeizuführen. Die Angriffsoperationen kamen für die Entente-Mächte überraschend, da sie in völliger Verkennung der tatsächlichen
Situation an einen nahen Zusammenbruch des deutschen Heeres glaubten und das nach Brest-Litowsk!
Das globale Ziel dieser Offensive läßt sich mit wenigen Worten treffend umreißen: Durchbruch der allierten Stellungen und Übergang zum Bewegungskrieg. Etwas detailreicher:
Durchbruch in Richtung Amiens und dadurch Trennung der englischen und französischen Armeen. Abdrängung der Briten an die Küste und gegen die Franzosen eine Neuauflage des
Schliefenplans- wobei eigentlich die ganze Operation dem Schliefenplan glich****. Dadurch hoffte man auch auf politischem Feld die beiden Verbündeten auseinander dividieren
zu können. UND das Wichtigste: Das alles bevor die amerikanische Überlegenheit sich auf dem Kriegsschauplatz bemerkbar machen konnte!
Ende Januar 1918 entschied sich die OHL, nach der Verwerfung anderer Vorschläge, für den "Michaelangriff" durch die 2. 17. und 18. Armee. Für den Fall des Scheiterns oder
stecken bleibens sollte der "St.Georgangriff" bei Armentieres und Ypern mit 35 Divisionen erfolgen und/oder der Angriff der 3. Armee in der Champagne. Außerdem gab es da noch
den "Marsangriff" gegen den Raum von Arras, der dann am 28. 3. gestartet wurde, aber total scheiterte.
Großes Hauptquartier [Spa], 10. 3. 18.
Seine Majestät befehlen!*****
Der Michaelangriff findet am 21. 3. statt. Einbruch in die erste feindliche Stellung 9.40 vormittags.
2 Armeen der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht von Bayern auf dem Nordflügel der 70 Kilometer langen Angriffsfront, eine Armee der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz auf der Südhälfte.
Auf jeden Meter Breite wohl ein halbes Dutzend Krieger hintereinandergestaffelt. 5000 Geschütze - auf je 30 Schritt - längs etwa der doppelten Strecke Berlin - Potsdam - vor
Munitionsstapeln feuerbereit.
Die Befehlsstelle der Obersten Heeresleitung wird von Spa...... .....vorverlegt.
... - nördlich von Cambrai bis südlich Saint-Quentin - wird der kriegsentscheidende Blitzstrahl in der Richtung gegen Amiens, die nur 60 Kilometer von der Meeresmündung der
Somme entfernte Schlüsselstellung zum Kanal zucken.
Tatsächlich "zuckte" da einiges. Wie seit Kriegsbeginn nicht mehr, drangen die deutschen Truppen gegen die allierten Stellungen vor und durchbrachen diese vielerorts.
Besonderen Ruhm erwarben sich dabei die Sturmtruppen.Captain Wright vom Obersten Kriegsrat der Alliierten schrieb dazu:
"In der Nacht zum Mittwoch klangen die innerhalb der feindlichen Linien liegenden Dörfer der Pikardie****** von den herrlichen, triumphierenden Schlachtgesängen der Deutschen
wider...... Frühmorgens am Donnerstag, rollte das wogende Meer des ungeheuren Ludendorffschen Operationsheeres heran. Es hätte keine Truppe der Welt sich auf die Dauer ohne
Verstärkung gegen die lawinenhafte Übermacht halten können."
Nach der schweren militärischen Krise infolge der deutschen Offensive kamen Großbritannien und Frankreich unter dem Druck der entstandenen Lage überein, die Westfront unter
ein gemeinsames Oberkommando zu stellen. Die Wahl fiel auf britischen(!) Vorschlag, auf den französischen Marschall Ferdinand Foch. Dieser war alles andere als begeistert
über sein neues Kommando. "Sie geben mir eine verlorene Schlacht und wollen, daß ich sie zurückgewinne." rief er zornig aus und fügte hinzu:"Es bedarf meiner ganzen
Uneigennützigkeit, um unter solchen Bedingungen noch zu akzeptieren."
Sein erster Befahl als Oberkommandierender lautete:"Löcher in die Front und alles, was dadurch frei wird, nach Amiens!"
Der Abgriff nördlich Amiens war schon liegengeblieben als sich der Widerstand vor Amiens, nicht zuletzt wegen Fochs Befehl zu versteifen begann. Erstmals kämpften vor Amiens
französische und englische Soldaten tatsächlich Schulter an Schulter unter einem Oberbefehlshaber und quasi in einer Armee. Das zahlte sich aus! 20 Km vor Amiens blieben die
deutschen Truppen im allierten Abwehrfeuer liegen.
Die Armee des deutschen Reiches litt im letzten Kriegsjahr unter fast unlösbaren Versorgungsschwierigkeiten, der gemeine Soldat war nach normalen Gesichtspunkten unterernährt
und physisch sowie psyschisch erschöpft. Die Ausrüstung bestand vielfach nur noch aus minderwertiger „Ersatzware“ oder fehlte ganz. Zur Hebung der Moral, nach dem Motto "den
Anderen geht es auch nicht besser", beging die OHL noch eine bewusste Propagandalüge. Man erklärte, die Entente leide infolge des uneingeschränkten U-Boot-Krieges unter denselben Nöten.
Eine Lüge, wie die angreifenden deutschen Soldaten angesichts der gefüllten Vorratslager der Alliierten schon bald merkten. Allerdings erwiesen sie sich auch als
"Geheimwaffe" der Alliierte, da nicht unerhebliche Teile des deutschen Heeres statt weiter anzugreifen, mit der Plünderung der Lager begannen und dadurch dem Gegner wertvolle
Zeit geschenkt, bzw eigene Vergeudet wurde. Ein Vorgang, der in der Militärgeschichte des öfteren zu beobachten ist und schon manchen Sieg gekostet hatte.
Die Truppen die vor Amiens zum stehen kamen plünderten allerdings keine Vorratslager, sondern waren schlicht am Ende und die Kraft der deutschen Offensiven erlahmte schließlich;
ab Mitte Juli 1918 ging die Initiative endgültig an die Entente über.
Schon im Juni hatte Ludendorff eine Denkschrift des Oberst v. Haeften an den Reichskanzler weiter geleitet, in der der Oberst eine politische flankierende Unterstützung der
militärischen Operationen andachte und der bayrische Kronprinz sprach offen von einer "Vogel Strauß Politik" der OHL. Dennoch hielt Ludendorf bis zum Ende der Offensive an
seiner Siegszuversicht fest - zumindest äußerlich und um des Kampfeswillen vor allem der Truppe gegenüber.
Dieser Kampfeswillen war schon vor der Offensive geschwächt worden und zwar durch Selbstverschulden. In der Heimat wußte man sich keines besseren Rates, als sogenannte
Unruhestifter einzuziehen und an die Front zu schicken. Hinzu kam, daß die Neuzugänge überwiegend junge Fabrikarbeiter waren, die in den letzten Jahren in der Heimat recht
gut verdient und, soweit es die Hungerblockade zuließ auch gelebt hatten. Ein Umstand, der auf die alten Frontsoldaten auch sehr bedrückend wirkte, da diese Leute die ganze
Zeit über für ihre Familien sorgen konnten, während die Familien der Frontkämpfer meist auf sich allein und geringe Almosen angewiesen waren. Sie traf die Hungerblockade am meisten.
Hinzu kam, daß die Neuzugänge durchaus neue politische Ansichten mitbrachten. Nicht unbedingt revolutionäre Ideen, aber neue eben und auch die Soldaten aus dem Osten brachten
Neuigkeiten mit....
Nur die versprochene Aussicht, daß die "Michaeloffensive" die letzte und entscheidende Schlacht für den deutschen Endsieg - oh ja schon damals- war, schweißte die Truppe noch
einmal zusammen und trieb die Männer vorwärts! Kein Verhandlungsfrieden, sondern ein Siegfrieden mußte es sein. Allerdings waren die Alliierten alles andere als
Verhandlungsbereit. Clemenceau erklärte, als man die Räumung Paris' in Aussicht stellte, ".. er werde bis an die Pyrenäen kämpfen." Vielleicht aber auch nur vielleicht hätte
ein deutscher Sieg auch ihn zum Umdenken gebracht. Aber leider zeigte sich die deutsche OHL tatsächlich immer wieder unersättlich und strebte nach immer mehr als sie hatte.
Soll heißen - ein Siegfrieden mußte her - selbst wenn nebenbei schon zaghafte Verhandlungsfühler ausgestreckt wurden - für alle Fälle und diese "Fälle" traten nach dem
Scheitern der "Michaeloffensive" ein!
Obwohl die Operation "Michael" schon nach nur 6 Tagen erlahmte, denn schon ab dem 27. März konnten die 17. Armee aufgrund des Einsatzes französischer Reserveeinheiten an der
Front bei Amiens kaum noch Geländegewinne verzeichnen. Aber auch der Angriffskraft der deutschen Soldaten war erschöpft, ebenso die Vorräte an Artilleriemunition. Trotz der
Zuführung von 9 Divisionsn, davon 6 frische, schlugen alle Versuch mit zusammen 14 Divisionen die Stadt zu nehmen fehl. Am 6. April 1918 die Versuche Amien zu erobern
aufgegeben.
Ludendorff sagte später:" Es war nun einwandfrei erhärtet, daß der feindliche Widerstand stärker war als unsere Kraft. Die OHL mußte......den Angriff auf Amiens endgültig einstellen....."
Die Verluste der Operation Michael beliefen sich auf 239.800 Tote und Verwundete auf der deutschen Seite und etwa 254.700 Tote, Verwundete und Vermisste auf Seiten der Entente.
Taktisch konnte man durchaus von einem deutschen Sieg sprechen aber strategisch war es eher eine Niederlage, da man unwiederbringliche Reserver "verbraten" hatte.
Worin bestand nun der taktische Sieg? Ein Großteil des englischen Heeres war vernichtend geschlagen und die Deutschen hatten ungeheuere Beute gemacht. In nur wenigen Tagen waren
sie soweit wie seit 1914 nicht mehr vorgedrungen, nämlich auf einer Breite von 75 Km bis zu 60 Km tief.
Dennoch standen die deutschen Truppen wieder in Schützengräben und wieder standen ihnen die Alliierten in solchen gegenüber und die Briten waren zwar in einer Schlacht aber
nicht im Krieg besiegt worden!
Die deutschen Verluste werden im Sanitätsbericht über das deutsche Heer wie folgt angegeben: An der Schlacht waren im Zeitraum vom 21. März 1918 bis zum 10. April 1918 die
deutsche 2., 17. und 18. Armee beteiligt. Insgesamt wurden ca. 90 Divisionen mit durchschnittlich 1.386.585 Soldaten als Ist-Stärke eingesetzt.
Erkrankt: 64.192 (vorwiegend an Grippe)
Verwundet: 181.694
Gefallen: 35.163
Vermisst: 22.701
Während die deutschen Reserven sich erschöpften, konnte Foch frische Truppen für eine Gegenoffensive sammeln. Dabei spielten auch hunderte von französischen und englischen
Tanks eine wichtige Rolle. Diesen hatte man auf deutscher Seite lediglich einige instandgesetzte Beutefahrzeuge entgegen zu setzen.
Am 8. August dann brach auf 30 Km breite der Gegenangriff nach nur kurzer Artillerievorbereitung auf einer Breite von 30 Km los und erreichte immerhin eine Tiefe von 18 Km.
Tanks und Schlachtflieger erzwangen den fast Durchbruch, der nur durch eilig herbei geführte Reserven verhindert werden konnte.
Ludendorf schrieb dazu in seinen "Kriegserinnerungen":"Der 8. August ist der schwarze Tag des deutschen Heeres in der Geschichte dieses Krieges."
Mit dem Scheitern der "Michaeloffensive" und allen damit verbundenen Offensiven, verlor die deutsche Oberste Heeresleitung jeden offensiven(!) Handlungsspielraum an der
Westfront und nach der Beinaheniederlage vom 8. August erkannten auch Hindenburg und Ludendorf, daß die Zeit der deutschen Militärs abgelaufen war und zogen daraus ihre
Schlußfolgerungen.
Am 13. August 1918 forderte die OHL den Reichstag auf, Friedensverhandlungen einzuleiten und am 14 August wurde unter dem Vorsitz des Kaisers der Beschluß gefasst, "...im
Geeigneten Moment eine Friedensvermittlung herbeizuführen...." Möglichst durch die Vermittlung der Königin der Niederlande.
Währenddessen griff Foch mit überwiegend australischen, kanadischen und US-amerikanischen (!) Divisionen weiter unverdrossen an. Nach etwa einem Monat war der gesamte
Landgewinn der "Michaeloffensive" wieder verloren! Die deutschen Truppen befanden sich am 8. September in der schlecht ausgebauten "Siegfriedlinie".
* 27 Divisionen und 13 gemischte Brigaden blieben im Osten zurück, sowie eine Division in Mazedonien und eine in der Türkei. Über den Kampfwert dieser Truppen wird an
anderer Stelle noch zu Berichten sein.
** Am 31. März 1918 betrug die zahlenmäßige Stärke des deutsches Feldheeres 4,8 Millionen Mann. 3,6 Millionen Soldaten und 139.000 Offiziere standen im Westen und rund 1
Millionen Mann mit 38.000 Offizieren im Osten.
Die Zahl der Genesenden aus den Lazaretten betrug etwa 60.000 Mann monatlich. Der einzuberufene Jahrgang 1900 konnte in etwa 250.000 Mann aufbringen und schätzungsweise
180.000 Mann waren zusätzlich durch "Auskämmen" der Etappe für Offensivoperationen beizubringen.
*** In den 1947 entdeckten Schriftrollen vom Toten Meer wird Michael als „Fürst des Lichts“ bezeichnet, der die Heerscharen Gottes gegen die Mächte des Bösen unter Belial
führt. Auch trägt er dort den Titel „Vizekönig des Himmels“. Im Christentum gilt Michael insbesondere als Bezwinger des Teufels in Gestalt des Drachen (Höllensturz) sowie als Anführer
der himmlischen Heerscharen
****Ludendorf schrieb über die Soldaten jenes Zeitabschnitts:"...wenn es auch nicht die Truppen von 1914 waren, sondern nur eine Art Miliz mit großer Kriegserfahrung"
*****"Seine Majestät befehlen" war natürlich nur sinnbildlich zu verstehen. Seine Majestät hatte schon seit 1916 nichts mehr zu befehlen! Den Befehl zum Angriff gab
Hindenburg. Seine Majestät durften abnicken und unterschreiben......
******Die Picardie [pika?'di] ist eine Region und historische Provinz im Norden Frankreichs. Sie besteht aus den Départements Aisne, Oise und Somme. Die Region hat eine
Fläche von 19.399 km² und 1.914.844 Einwohner. Amiens ist die Hauptstadt der Region.