Er ist eine Legende und wurde mit seinem berühmten Satz „Ich bin ein Berliner“ in den Herzen der Deutschen unsterblich.
Doch kaum einer wusste bis zu dieser Woche, dass John F. Kennedy, lange bevor er am 26. Juni 1963 als US-Präsident seine berühmte Rede in Berlin hielt, schon in jungen Jahren dreimal Deutschland besucht hatte. 1937 und 1939, als Adolf Hitler und die Nazi regierten, und 1945, kurz nach Kriegsende, im Gefolge des US-Marineministers James Forrestal.
Der Aufbau Verlag veröffentlichte jetzt erstmals Kennedys Aufzeichnungen von diesen drei Reisen. Das eindrucksvolle Buch ist gerade erschienen unter dem Titel: „John F. Kennedy. Unter Deutschen. Reisetagebücher und Briefe 1937 - 1945.“
„Die Deutschen sind wirklich zu gut“
Die Eindrücke, die der junge Student Kennedy 1937, damals war er 20, auf seiner Europa-Tour notierte, zeigen einen lebenslustigen jungen Mann, der sich als Tourist unbeschwert vergnügt, zugleich mit wachem Verstand die Politik der Zeit verfolgt, bisweilen jedoch auch heikel-naive Urteile zu Papier bringt.
Vergrößern Der Buchumschlag der Reisetagebücher „Unter Deutschen“: Die Reisetagebücher von John F.Kennedy sind im aufbau-Verlag erschienen
So notiert er am 3. August 1937, in Italien nach Lektüre eines Buches von John Gunther, einem amerikanischen Publizisten jener Zeit: „Habe Gunther ausgelesen und komme zu dem Schluss, dass Faschismus das Richtige für Deutschland und Italien ist, Kommunismus für Russland und Demokratie für Amerika und England.“
War Kennedy fasziniert von Hitler?
Oliver Lubrich, der Herausgeber des neuen Buches, findet die Legenden-Passage, zwar auch „befremdlich“, sagte aber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Ich denke gleichwohl nicht, dass Kennedy Hitler bewunderte, vor allem nicht dessen Politik." Es gehe um das, was die Autorin Susan Sonntag als die unheimliche Faszination des Faschismus beschrieben habe. Lubrich: „Kennedy versucht, diese Faszination zu verstehen, die von Hitler offenbar immer noch ausging.“
Unter Deutschen
Klappentext
Aus dem Amerikanischen von von Carina Tessari. John F. Kennedy, geboren 1917, unternahm bereits als junger Mann Reisen nach Deutschland: im Sommer 1937 als Student; im August 1939, unmittelbar vor Kriegsbeginn, als sein Vater Botschafter in Großbritannien war; sowie im Juli und August 1945, wenige Wochen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, als Korrespondent. Von diesen drei Reisen hinterließ Kennedy historisch wie persönlich faszinierende Zeugnisse, die hier erstmals veröffentlicht werden und zeigen, welche Eindrücke der spätere Präsident der USA von Deutschland gewann. Seine Deutschland- und Europapolitik und auch seine Berliner Rede aus dem Jahr 1963 sind erst vor diesem Hintergrund richtig zu verstehen.
Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 17.05.2013
Harald Jähner stellt sich nach der Lektüre von John F. Kennedys Reisetagebüchern und Briefen aus den Jahren 1937 bis 1945, die der Literaturwissenschaftler Oliver Lubrich herausgegeben hat, eine ziemlich brisante Frage: War John F. Kennedy in jungen Jahren ein Bewunderer Hitlers? Etwa, wenn Kennedy schreibt, dass "die nordischen Rassen den romanischen gewiss überlegen zu sein scheinen", oder dass Hitler etwas Geheimnisvolles hatte, das auch nach seinem Tod "weiter gedeihen wird", erklärt der Rezensent. Schon Joseph Kennedy, Johns Vater, war in der Roosevelt-Administration als Antisemit, Rassist und Deutschlandfreund bekannt, wer weiß, ob da nicht doch etwas hängen geblieben ist, mutmaßt Jähner, der schon ziemlich gespannt ist, wie das Buch wohl aufgenommen wird.