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 Waffen und Geräte
Waldi44 Offline




Beiträge: 563

16.04.2013 16:55
RE: Tirpitz und die deutsche Torpedowaffe Antworten

Tirpitz und die deutsche Torpedowaffe

Torpedos, eine nachwievor unheimliche Waffe, da fast geräuschlos und fast unsichtbar von relativ kleinen Fahrzeugen abgefeuert, sie selbst den größten Schiffen ihrer Zeit gefährlich werden konnten und können haben eine recht lange Geschichte, die bis in die Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges zurück reicht. Da allerdings noch sogenannte Spierentorpedos.
"Spiere" bedeutet "Stange". Diese "Stange" ähnelte einer Harpune und besass Widerhaken. Am Schaft wurde eine Sprengladung befestigt., Die ganze "Stange" wurde dann an einem kleinen schnellen Boot befestigt - einem Torpedoboot. Natürlich war der Angriff mit einem solchem Fahrzeug das reinste Himmelfahrtskommando.
Es gab zwei Möglichkeiten das gegnerische Fahrzeug zu torpedieren. Erstens das Boot rammte mit der "Spiere" den Gegner und die widerhakenbewährte Spitze bohrte sich in den hölzernen Rumpf. Dann ruderte die Besatzung so gut und so schnell sie konnte mit dem Boot wieder zurück. Die "Spiere" mit der Sprengladung blieb hängen und wenn die Spiere aus irgend einem Grund sich nicht noch löste, explodierte die Sprengladung und zerstörte oder beschädigte das gegnerische Fahrzeug.
Zweitens man benutzte gleich das ganze "Torpedoboot" zum Sprengangriff. Dabei wurde das Boot, in dem Fall ein Segler oder kleines Dampfboot, auf Kurs gebracht und das Ruder festgezurrt. Kurz vor dem Aufschlag verliess die Besatzung das Boot mit einem Floss oder Beiboot und versuchte aus dem Exlosionsradius zu entkommen. Gezündet wurde elektrisch per Reissleine von der sich absetzenden Besatzung, wenn diese nicht riss oder aus einem anderen Grund versagte.
Mitunter aber blieb die Besatzung auch an Bord und hoffte, dass die Distanz welche die Spiere zwischen Sprenkörper und eigenem Schiff schuf, groß genug zum Überleben war.
Es gab auch absenkbare "Spieren", so dass das entstandene Leck im Schiffsrumpf sich nahe oder auch unter der Wasseroberfläche befand. Besonders erfolgreich, wenn auch nicht erfolglos, waren solche Boote selbstredent nicht und die Angriffe fanden in der Regel Nachts statt.Einen der erfolgreichsten Angriffe führte der russische Marineoffizier (und spätere Admiral) Stepan Makarov im russisch-türkischen Krieg von 1877/78 durch, als mehrere türkische Schiffe mit dieser Waffe versenken oder beschädigt wurden.
Ebenfalls bemerkenswert ist, dass der/das Torpedo während des amerikanischen Bürgerkriegs 1861/65 von dem amerikanischen (Südstaaten) Ingenieur E. C. Singer entwickelt wurde, einem Neffen von Isaac Merritt Singer, dem grossen Nähmaschinenerfinder, der sich selbst als Mann mit "deutscher Herkunft" bezeichnete und väterlicherseits jüdischer Abstammung war...ob das später "der Führer" wusste ?

Dennoch liess die Idee als solche die Erfinder und Ingeneure nicht mehr los.
Auch die Kaiserliche Flotte verfügte über solche Torpedoboote- hier Torpedodampfer genannt, die zwischen 1874 und 1876 gebaut wurden. Sie waren allerdings alle mit Spierentorpedos bewaffnet und erst SMS "Zieten" war das erste richtige Torpedoboot.
Allerdings gab es schon im Krieg 1870/71 eine Art Torpedoflottille. Um die 20 Boote schützten die Elb- und Wesermündung. Damals wurde aber nicht zwischen Torpedo und Minen unterschieden. Diese Torpedoflotte bestand aus Angehörigen der "Freiwillige Seewehr". Diese wurde vom Generalgouverneur der deutschen Küstenlande Eduard Vogel von Falckenstein mit Sitz in Hannover ins Leben gerufen.
Doch soweit war es noch lange nicht...
Den nächsten grossen Entwicklungsschub erhielt der Torpedo dann im Jahre 1860, als der Ingenieur Giovanni Luppis den ersten Prototyp eines selbstangetriebenen Torpedos erfand.
Als nächstes erschien ein Engländer auf der "Bühne" der Entwicklung. Der britische Ingenieur Robert Whitehead wurde 1856 Manager der Metallgießerei "Fonderia Metalli" in Fiume (Östreich-Ungarn). Er änderte den Firmennamen in "Stabilimento Tecnico Fiumano" und begann mit der Herstellung von Dampfkesseln und -maschinen für Schiffe der Österreichisch-Ungarische Marine.
1864 schloss Whitehead einen Vertrag mit dem vormals in der österreichischen Marine arbeitenden, Ingenieur Giovanni Luppis.

Die Arbeiten in Fiume erregten auch bei der jungen aufstrebenden deutschen Kriegsmarine aufmerksamkeit. Und nun entlich kommt Tirpitz ins Spiel...
1877 entsandte der Chef der Admiralität von Stosch den Korvettenkapitän Heusner und den 27 jährigen Kapitänleutnant Tirpitz nach Fiume um die dortigen Versuche zu beobachten. Dabei war außerdem der leitende Ingenieur August Groth.*
Tirpitz, von dem auch Wiki im Zusammenhang mit Torpedos nicht mehr als das zu berichten weiss:"1877-1888 Er (Tirpitz) organisiert die neue Torpedowaffe und faßt sie in der Torpedoinspektion zusammen....."
Von Stosch stand der neuen Waffe sehr skeptisch gegenüber und forderte schriftlich von verschiedenen Offizieren deren Meinung ein. Von Tirpitz' Ausführungen überzeugten von Stosch, in von Tirpitz den richtigen Mann für die neue Waffe gefunden zu haben.
Zuerst wurde die SMS "Zieten" als Versuchstorbedoboot umgebaut und ihr neuer Kommandant wurde ab Mai 1878 der Kapitänleutnant Alfred von Tirpitz. Es war ein 716 BRT grosses (voll) Eisenschiff und 79,4 m über alles lang, 8,56 m breit und hatte einen Tiefgang von 3,8-4,63 m, mit einer Besatzung aus 6 - 7 Offizieren und zwischen 90 und 104 Mann.
Es war das erste Boot seiner Art überhaupt und hatte Torpedorohre zum Abschuss der Torpedos. Sie verfügte über je ein Bug- und Heckunterwassertorpedorohr die 10 mal nachgeladen werden konnten.Das Bugrohr wurde durch ein klappbares Unterteil des Vorstevens geöffnet.
Die "Zieten" diente bis 1880 als Torpedofahrzeug (danach als Aviso, später als Fischereikreuzer) zur Erprobung neuentwickelter Torpedos. Außerdem gehörte die SMS "Zieten" zu den ersten Schiffen der Kaiserlichen Marine mit elektrischen Scheinwerfern (!881). Von Tirpitz bezeichnete sich dabei selbst als "Klempner", der sich nicht zu fein war, mit Hand anzulegen und sich auch dabei schmutzig zu machen.
Am 28. Juli 1880 erntete er die ersten Früchte seines Schaffens und versenkte mit der "Zieten", im Beisein des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen, auf eine Entfernung von immerhin 7,3 Km die alte Dampffregatte SMS "Barbarossa" mit einem Torpedo.
Dabei gab von Tirpitz zu, habe er grosses Glück gehabt, dass der Whiteheadtorpedo auch tatsächlich sein Ziel traf und auch explodierte. Aber er hatte das Glück des Tüchtigen. Den Whiteheadtorpedo hielt er für grob und unausgereift und als man höheren Orts auf den Torpedo als Waffe aufmerksam geworden war, konnte er daran gehen, ihn mit "deutscher Qualitätsarbeit" weiter zu entwickeln und wie man gesehen hat, mit grossem Erfolg.
"Höhern Orts" war man sich aber keineswegs über den Einsatz der Torpedos als Waffe einig. Während die eine Partei kleine Küstenfahrzeuge zum Schutz selbiger favorisierte, wollte die andere Partei, der auch von Tirpitz angehörte, grosse Hochseeboote haben. Ein Streit, der sich später auch bei den U-Booten widerfand - Küstenboote gegen Hochseeboote.
In seinem Kampf um die Etablierung der Torpedowaffe als vollwertige Waffe in der Marine kam ihm ein Führungswecksel an der Marinespitze entgegen, der zugleich ein Richtungswechsel darstellte. Für Stosch kam der eher defensiv ausgerichtete Caprivi (1883-88), der glaubte, die Torpedowaffe ausschließlich zur Küstenverteidigung einsetzen zu können, zumal er die Torpedoboote nicht für hochseetüchtig erachtete.
Tirpitz selbst, 1884 zum Chef der neugebildeten Torpedoversuchsdivision ernannt und gleichzeitig zum Kapitän der Korvette SMS "Blücher"**, war es, der alles daran setzte, ihm und allen Skeptikern das Gegenteil zu beweisen.
Eine Torpedobootflottille verschiedener Boote in Begleitung der SMS "Blücher" sollte bei stürmischem Wetter um Jütland herum durch den Skagerrak fahren und somit die Hochseetüchtigkeit der Boote beweisen. Doch schon zu Beginn der Fahrt blieben alle kleineren Boote liegen und die zwei größeren Schichauboote*** kollidierten miteinander. Im Normalfall hätte man das Unternehmen als gescheitert betrachten und abbrechen müssen. Doch von Tirpitz begab sich auf das schwerer beschädigte Boot und übernahm das Kommando. Ein wahres Himmelfahrtskommando....
Schliesslich aber schafften die Boote die Jütlandumrundung und die Fahrt durch den Skagerrak.
Tirpitz schreibt in seinen Memoiren dazu: "...begann die Aera der grösseren Schichauboote, wie der Aufschwung des Torpedowesens..."
1886 schuf Caprivi eine eigenständige Torpedo- Inspektion, die alle Fragen und Zweige des Torpedowesens umfasste und deren Chef (Inspekteur) von Tirpitz wurde. 1889 endete der Weg von Tirpitz bei der Torpedowaffe.




* August Groth: Nachdem August Groth mehrere Jahre auf Handelsschiffen Dienst getan und seinen Wehrdienst beim Heer abgeleistet hatte, trat er mit 28 Jahren am 1. Juli 1859 als vertraglich angestellter Maschinist in die Königlich- Preußische Marine ein. Als leitender Maschinist auf dem Aviso "Preussischer Adler" nahm er am 9. Mai 1864 am Seegefecht bei Helgoland teil. Später war er leitender Ingenieur auf SMS "König Wilhelm" und "Friedrich der Grosse". 1874 weilte er mehrere Monate zwecks Informationszwecken in England und 1877 dann mit von Tirpitz in Fiume. 1876 leitete er den Einbau der Torpedorohre auf SMS "Zieten". Bis zum 31.03. 1880 blieb er technischer Leiter des Torpedobaus. Danach wechselte er freiwillig in den aktiven Dienst zurück. 1882 Gründete er eine Vereinigung unter den Namen: "Bibliothek der Marine- Ingenieure der Ostsee". 1884 starb er einen frühen Tod.
**Korvette Blücher: Torpedo- Versuchs- und Schulschiff
** In der Folgezeit benannten die Buchstaben vor den taktischen Nummern die Bauwerft der Boote: S = Schichau, G = Germania, B = Blohm & Voss, V = Vulkan, H = Howaldt. Ausnahmen waren die Buchstaben D, T und A. Im Krieg gab es dann umbenennungen in T = Torpedoboote.
TA = Torpedoboote Ausland (Beutefahrzeuge)

Wilhelm II. und seine Flotte, Motorbuchverlag 2012
Deutschlands Kriegsflotte, Melchior Historischer Verlag 2007
Die Linienschiffe der Brandenburg- bis Deutschland- Klasse, Koop/Schmolke, Bernard6Graefe Verlag 2001

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