"Klein Deutschland" lag in New York und sein "Untergang" wurde am 15. Juni 1904 auf grausame Art eingeläutet, einhergehend mit einer der grössten zivilen Schiffskatasrophen. Eine der grössten und grausamsten Schiffskatastrophen, die aber in der Welt heute kaum bekannt ist. Gross, weil bei ihr 1021 Menschen starben, grausam, weil die meisten davon Frauen und Kinder waren.
"Damals lebten mehr als eine Million Deutschstämmige in New York City. Um die Jahrhundertwende gab es nur wenige Städte mit mehr als einer Million Einwohnern: unter anderem Berlin, Hamburg (einschließlich Altona und Wandsbek) und eben New York. Eine Volkszählung registrierte 1 084 000 Deutsche - das waren 32 Prozent der damaligen Bevölkerung New Yorks (3 437 000). Die Deutschen waren mit Abstand die größte Nationalitätengruppe der Stadt. Sie hatten sich vor allem in "Little Germany" etabliert, in der Lower East Side und dem heutigen Trend-Viertel East Village. Die Siedlung war 400 Blocks groß. Rund um den Tompkins Square gab es mehr als 150 deutsche Zigarrenmacherwerkstätten, 130 Bäckereien, 60 Schumacherbetriebe, 55 Schreinereien und 60 Schneiderwerkstätten. Der jährliche Sommer-Ausflug der Sonntagsschule, üblicherweise ein Tagesausflug auf einem Schiff mit Baden, Spielen und Picknick, fiel 1904 auf den 15. Juni:Fast 1400 Menschen besteigen die "General Slocum". Da es Mittwoch ist, arbeiten die Männer, so sind überwiegend Frauen und Kinder an Bord. Kurz nach 9.30 Uhr legt das Dampfschiff in Höhe der dritten Straße ab und schaufelt sich auf dem East River nordwärts....."
"Die Tragödie zersplitterte die Deutschstämmigen in New York. Das Gemeinschaftsgefüge war zerrissen, die Meisten wollten nicht ständig an ihre toten Familien erinnert werden und zogen weg. In ganz New York gab es nicht genügend Särge. Hunderte von Pferden zogen in den nächsten Tagen Leichenwagen durch die Gassen. Trauerzüge formierten sich für die Beerdigungen. Forscherin Jolowicz: „Little Germany stand unter Schock, die Schulen hatten keine Schüler mehr, die Geschäfte keine Inhaber." Die Brandkatastrophe war ein Schock, von dem sich die deutsche Gemeinde nie erholen sollten. Fast jede Familie hatte Tote zu beklagen. Dutzende Hinterbliebene suchten den Freitod. Tausende zogen weg - ein Exodus, der unter anderem wegen sozialen Aufstiegs schon vorher begonnen hatte, wurde zur Massenbewegung. "Little Germany" löste sich auf - die Markuskirche wurde Synagoge."