Wer sich mit dem Thema Wehrmacht und 2. Weltkrieg beschäftigen möchte, kommt unter Umständen schon frühzeitig in führungstechnische Schwieriglkeiten. Wer führte die Wehrmacht eigentlich? Hitler natürlich, wird so mancher spontan antworten und ist schon in die "Falle" getappt. Wichtig zur Klärung dieser Frage ist der Zeitpunkt, von bzw. bis zu dem wer die Wehrmacht führte. Wobei, wenn man die Frage klären möchte, man etwas weiter, nämlich in die Vorwehrmachtszeit zurückgreifen muss, in eine Zeit, als man noch von der Reichswehr sprach. Mit Ausnahme von Bayern, Sachsen, Württemberg und Preußen erhielt ab März 1919 der Reichspräsident den Oberbefehl über die Reichswehr. Nach dem Inkrafttreten der Weimarer Verfassung wurden die in den genannten Ländern verbliebenen Kriegsministerien aufgelöst. Die Befehlsgewalt lag beim Reichswehrminister. Die Kommandogewalt jeweils beim Chef der Heeresleitung bzw. beim Chef der Marineleitung. Für den auf Befehl der Siegermächte aufgelösten Generalstab wurde 1929 das Truppenamt gegründet. Mit der „Verkündung der Wehrhoheit“ 1935 und dem Wehrgesetz vom 21. Mai 1935 wurde die Heeresleitung in Reichskriegsministerium umbenannt. Am 30. Januar 1933 ernannte der Reichspräsident Hindenburg den parteilose Werner von Blomberg, als Nachfolger von Wilhelm Groener, zum Reichswehrminister. Das blieb er bis zum 27. Januar 1938.Blomberg und Hitler verstanden sich gut und befanden sich auf einer "Wellenlänge", was Blomberg aber nicht daran hinderte, Hitlers Kriegsplänen gegenüber skeptisch zu sein aber nur in Hinblick auf die anlaufende Aufrüstung. Mit dieser Skeptsis stand er nicht alleine und sie führte auch zu keinem ernsthaften Zerwürfnis mit Hitler darüber. In den Jahren zuvor hatte sich von Blomberg, wenn schon nicht als glühender Nationalsozialist, so doch als nützliches Instrument für Hitlers Absichten und die erfolgreiche Integrierung der Wehrmacht in den nationalsozialistischen Machtapparat erwiesen. Schon kurz nach dem 30. Januar 1933 erklärte Blomberg: "Jetzt ist das Unpolitische vorbei, und es bleibt nur eins: der nationalen Bewegung mit Hingabe zu dienen." und bereits am 28. Februar 1934 erließ Blomberg in vorauseilendem Gehorsam für die Wehrmacht einen "Arierparagraphen", ohne daß Hitler oder sonstwer es verlangt hätten. Wegen seiner Anbiederung an den nationalsozialistischen Staat und Hitler, erhielt von Blomberg den Spitznamen "Gummilöwe" und "Hitlerjunge Quex". Als Anerkennung für diese eher devote Haltung der Wehrmachtsführung formulierte Hitler 1934 die "Zwei-Säulen-Theorie": "Die Staatsführung (...) wird von zwei Säulen getragen: politisch von der in der nationalsozialistischen Bewegung organisierten Volksgemeinschaft, militärisch von der Wehrmacht." Die Wehrmacht sollte alleiniger Waffenträger bleiben und wie Ernst es ihm damit war demonstrierte er mit der Niederschlagung des "Röhmputsches" und der ermordung Röhms am 1. Juli 1934. So jedenfalls machte er es der Öffentlichkeit und der Wehrmachtsspitze weiss. Desweiteren liess von Blomberg, ebenfalls ohne von irgendeiner Seite dazu gedrängt worden zu sein, ab dem 02.08.1934 die Wehrmacht auf Hitler vereidigen. Die dazu eigentlich notwendige gesetzliche Grundlage dazu fehlte allerdings. Hitler konnte mit seinem "Gummilöwen" zufrieden sein und so konnte die Wehrmacht gegenüber der Partei im Staate eine doch recht starke und unabhängige Stellung behaupten, obwohl sie sich selbst und ohne Not in eine starke Anhängigkeit vor allem von Hitler begeben hat. Zur Belohnung wurde von Blomberg dann 1936 zum Generalfeldmarschall ernannt. Erst die sogenannte "Blomberg-Fritsch-Krise(Affäre)", die sich fast zu einer Staatskrise auzuweiten drohte, brachte die entscheidende Wende. Bis zum heutigen Tag ist es so, dass bei Personen, die im öffentlichen Rampenlicht stehen das sogenannte "Privatleben" eben keine reine private (abgesondert, getrennt“, privatum, „das Eigene“) Angelegenheit ist und als Ende 1937 der immerhin schon 60 jährige von Blomberg, die erst 23 jährige Margarethe Gruhn heiratete, erregte allein das schon Aufsehen genug obwohl die standesamtliche Trauung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. Immerhin waren aber Hitler und Göring als Trauzeugen anwesend. Schon wenig später nahm das Schicksal seinen Lauf. Es drangen Gerüchte über das voreheliche Leben der Margarethe Gruhn an die Öffentlichkeit, der auch die Polizei nachging. Aus welchen Gründen auch immer und was die Nachforschungen zu tage brachten, bestätigten erstens die Gerüchte, schockten zweitens Hitler und überraschten keinesfalls von Blomberg. Er wusste um das Vorleben seiner Frau, hatte es aber wohlweisslich verschwiegen. Während der Weltwirtschaftskrise Anfang der 30er Jahre hatte Fräulein Gruhn als Gelegenheitsprostituierte und Aktmodell sich ein Zubrot zum Lebensunterhalt verdient. Dies und einige der Aktfotos kam nun zutage und unter Hitlers Augen, welcher diese nun, selbst wenn er gewollt hätte, nicht mehr vor den nackten Tatsachen verschliessen konnte. Alles war geschockt: Öffentlichkeit, Offizierskorps und der Führer. Schliesslich durfte ein Offizier, so hatte es von Blomberg selbst bestimmt, nur eine Frau mit "untadligem Ruf" ehelichen und den hatte die nunmehrige Frau von Blomberg wohl eher nicht! Dennoch m uss man zu von Blombergs Ehrenrettung sagen, dass es sich wohl doch wirklich um Liebe gehandelt haben muss. Er weigerte sich standhaft die Ehe zu annulieren. Die Erklärung, er hätte von dem Vorleben seiner Frau nichts gewusst und die anschliessende Scheidung hätte ihm wohl seinen Kopf gerettet aber Liebe macht eben manchmal kopflos.Auf Druck des Offizierskorps und der öffentlichen Meinung und der Staatsräson konnte Hitler von Blomberg als Reichskriegsminister nicht mehr halten. Von Blomberg wusste das und kam einen eventuellen "rauswurf" zuvor, indem er am 27.01.1939 seinen Rücktritt einreichte. Nun nennt man die Ereignisse von damals die "Blomberg-Fritsch-Krise(Affäre)". Was war mit von Fritsch? Generaloberst (letzter Dienstgrad) Werner Freiherr von Fritsch diente schon unter dem Kaiser, dann in der Weimarer Republik und nach dem Regierungsantritt Hitlers (Reichskanzler) wurde Fritsch von Hindenburg (Reichspräsident) im Januar 1934 zum Chef der Heeresleitung ernannt. Im Juni 1935 wurde er Oberbefehlshaber des Heeres und am 20. April, "Führers Geburtstag" 1936 zum Generaloberst befördert.Auch von Fritsch sympatisierte mit dem Nationalsozialismus aber auch er hielt Hitlers Kriegspläne für "überhastet", als dieser sie am 5. November 1937 vorstellte. Zwar befürwortete auch er Aufrüstungs- und Kriegspläne, äusserte aber fachliche Bedenken ähnlich wie von Blomberg. Als von Blomberg über seine Liebe zu einer Freizeitprostituierten stolperte und seine Karriere beendet wurde, stand von Fritsch davor, auf seiner Karriereleiter die vorerst letzte Stufe zu erklimmen, nämlich die zum neuen Reichskriegsminister. Dazu bedurfte es allerdings die Ernennung durch Hitler. Dieser hatte im "Hinterkopf", dass da irgendetwas gewesen war und Richtig: Schon 1936 lag Hitler eine Polizeiakte vor, welche die Aussagen des zur damaligen Zeit inhaftierten Strichjungen und Erpressers ("herrliche" Kombination) Otto Schmidt zur angeblichen Homosexualität von von Fritsch enthielt. Wie schon Göring später bestimmte wer Jude ist, so auch Hitler jetzt, wer homosexuell ist. Zumindest zu diesem Zeitpunkt kam ihm die Angelegenheit ungelegen und er befahl die Akte verschwinden zu lassen.Eine "verschwundene" Akte löscht noch keine Gerüchte aus und angesichts der Vorgänge um von Blomberg wollte Hitler bei seinem neuen Reichskriegsminister sicher sein, dass nicht auch er eine Leiche im Keller hatt. Deshalb kam es zu einer Gegenüberstellung von Fritsch mit Otto Schmidt, der angab, seinen damaligen Freier eindeutig zu erkennen. Da half auch von Fritschs Ehrenwort nichts mehr und Hitler beurlaubte ihn noch am selben Tag.Später gab Schmidt zu, gelogen zu haben. Darüber hinaus stellte das Reichskriegsgericht fest, dass es sich bei dem angeblichen von Fritsch um den pensionierte Rittmeister Achim von Frisch handelte, mit dem Schmidt "unsittliche Handlungen" vorgenommen hatte. Die Gestapo, die mit allen Mitteln versuchte von Fritsch die Homosexuellen Handlungen zu beweisen ging gegen von Fritsch so rabiat vor, dass dieser sich öffentlich beschwerte:"Eine so schmachvolle Behandlung hat zu keiner Zeit je ein Volk seinem Oberbefehlshaber des Heeres angedeihen lassen. Ich gebe das hiermit ausdrücklich zu Protokoll, damit die spätere Geschichtsschreibung weiß, wie im Jahre 1938 der Oberbefehlshaber des Heeres behandelt worden ist. Eine solche Behandlung ist nicht nur unwürdig für mich, sie ist zugleich entehrend für die ganze Armee." Wie wir übrigens sehen ist die Behauptung (....Im Zuge der Blomberg-Fritsch-Affäre wurde Fritsch der Homosexualität bezichtigt....) bei Wiki nicht ganz richtig, denn "bezichtigt" wurde er schon lange vorher. Nur wurde das alte Gericht von Hitler selbst wieder aufgewärmt. Angeblich, weil er von Fritschs Kritik an seinen Kriegsplänen nicht vergessen und ihm übel genommen hat und das würde auch das wüste Vorgehen der Gestapo gegen von Fritsch erklären. Denn es ist schon merkwürdig, dass nach von Fritschs Rehabilitierung am 18. März 1938 für ihn nur der Posten als Chef seines alten Artillerieregiments 12 in Schwerin (Mecklenburg) übrig blieb, während sein Posten am 4. Februar 1938 von Walther Heinrich Alfred Hermann von Brauchitsch, immerhin auch ein "von", übernommen wurde, der ebenso wie von Fritsch mit dem Nationalsozialismus liebäugelte. Brauchitsch sagte 1938: „In der Reinheit und Echtheit nationalsozialistischer Weltanschauung darf sich das Offizierskorps von niemanden übertreffen lassen ... Es ist selbstverständlich, dass der Offizier in jeder Lage den Anschauungen des Dritten Reiches gemäß handelt.“ Trotz der offensichtlichen Demütigung blieb auch von Fritsch dem nationalsozialistischem Gedankengut bis zu seinem Tode treu. Allerdings war er auch voller Verbitterung und als er am 22. September 1939 bei Praga, einer Vorstadt von Warschau fiel, blieb der Vorfall doch ungeklärt. Zwar war ein Zeuge dabei als von Fritsch verwundet wurde und eine Minute später starb aber wer geschossen hatte blieb ungeklärt. Waren es Polen oder eigenes Feuer oder angesetzte Todesschützen oder war es womöglich ganz anders und von Fritsche hatte den Soldatentod freiwillig gesucht? Wie dem nun auch gewesen sein mag: zumindest der Verschwörungsthese im Fall von Blomberg wird nach neueren Erkenntnissen widersprochen. Weder Göring noch Himmler oder sonstwer soll da irgendetwas "gedreht" haben. Zumindest von Blomberg stolperte über sich selbst, während bei von Fritsch, obwohl rehabilitiert, doch der Makel des: "da wird schon was dran gewesen sein" haften geblieben ist. Nun, nachdem die obersten deutschen Kriegsherren gehen mussten bzw. gegangen worden sind, meldeten sich natürlich sofort Interessenten, voran Göring und Himmler. Hitler, der für keinen von beiden einen weiteren Machtzuwachs wollte, entschied anders. Zuerst wurde das Personalkarussel in Bewegung gesetzt und eine Versetzungs- und Ernennungswelle setzte ein, so dass gewisse Veränderungen kaum auffielen. Um die 50 höheren Offiziere wurden umgesetzt oder entlassen. Walther Heinrich Alfred Hermann von Brauchitsch wurde Oberbefehlshaber des Heeres und Hitler übernahm die Funktion des Kriegsministers und war somit oberster Soldat im Staate. Das Kriegsministerum selbst wurde allerdings abgeschafft. Stattdessen wurde das OKW unter Wilhelm Keitel gegründet. Das OKW wurde einerseits zur militärischen Beratung Hitlers geschaffen, obwohl schon bald Hitler die "Beratung" aller anderen übernahm und hatte keine eigene Befehlsgewalt. Es war aber andererseits Hitlers Sprachrohr gegenüber der Wehrmacht und sollte ihr seinen Willen, seine Weisungen und Befehle verkünden und darüber hinaus sollte es die Koordinierung aller drei Wehrmachtsteile übernehmen. Nicht selten wurde aber statt zu koordinieren und zu kooperieren nur gestritten......
Anmerkend zum OKW möchte ich noch hinzufügen, dass das OKW von den Alliierten, anders als die "SS", mit Ausnahme der "Reiter SS", nicht als verbrecherische Organisation eingestuft wurde. Obwohl Mitglieder des OKW, Keitel und Jodl, in Nürnberg zum Tode verurteil wurden. Vermutlich, weil das OKW eben keine direkte Befehlsgewalt hatte.
Eine weitere Anmerkung, die ich separat anfüren möchte, damit da kein historischer Fehler entsteht bzw hineininterpretiert wird: Mit dem Tode von Reichspräsident Hindenburg und der damit verbundenen Amtsabschaffung bzw Amtszusammenlegung des Amtes des Präsidenten und dem des Reichskanzlers, wurde Hitler faktisch schon in diesem Moment Oberbefehlshaber der Reichswehr, da der Reichspräsident formel Oberbefehlshaber der Streitkräfte war* - aber bei weitem nicht mit so weitreichenden Machtbefugnissen, wie zB. der französische oder gar amerikanische Präsident. Die spätere Umgestaltung der Führungsspitze durch Hitler diente lediglich der seiner Machtfestigung, der Beseitigung von opositionellen Kräften in der Reichswehrführung und der direkten Einflussnahme auf die Reiswehrführung. Insofern ist die Überschrift des Beitrages etwas irreführend und sollte zu keinen falschen Schlussfolgerungen führen, daher dieser Zusatz!
* Steht zwar weiter oben so in meinem Beitrag, könnte aber übersehen werden.