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Dieses Thema hat 1 Antworten
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 1. Weltkrieg
Waldi44 Offline




Beiträge: 563

26.11.2010 10:35
RE: Der englische Sperrangriff gegen Ostende Antworten

Der englische Sperrangriff gegen Ostende und Zeebrügge

Anders als im 2. WK hatte Deutschland im 1. WK für seine Flotte und maritime Unternehmungen, eine sehr schlechte Ausgangslage. Die Hochseeflotte war weitestgehend in Nord- und Ostsee eingeschlossen, die Handelsschiffe vom Welthandel ausgesperrt.
Lediglich die U-Boote konnten noch relativ frei in den Gewässern weltweit und vornehmlich um England operieren, auch wenn die deutschen Schlachschiffe gelegentlich die englische Küste beschossen, hatten die Briten nach Beendigung des "Kreuzerkrieges" weitestgehend ihre "Ruhe", sieht man von der nahezu tödlichen Bedrohung durch deutsche Unterseeboote ab.
Diese Boote gefährdeten die britische Versorgung auf das ärgste. Sie versenkten Handelsschiffe durch Torpedos, Granaten und Minen. Das blieb der britischen Öffentlichkeit natürlich auch nicht verborgen. Spätestens wenn ihre leeren Mägen böse knurrten, wurden sie daran erinnert und machte sie auf ihre "untätige" Marine wütend! Wie die deutsche Küstenbeschiessung zur Schlacht vor dem Skagerrak führte (nicht zuletzt wegen der wütenden Bewohner jener Regionen), so führte die ständige Bedrohung durch die deutschen U- Boote zu einer eigentlich wenig bekannten britischen Aktion an der von Deutschland besetzten belgischen Küste.
Dort befanden (und befinden ) sich die beiden belgischen Hafenstädte Ostende und Zeebrügge. Beide wurden von den Deutschen ausgebaut und stark befestigt. Sie dienten den Unterseebooten als Ausgangsbasis und lagen quasi vor der englischen Haustür. Wie überall an Küsten, an denen es Ebbe und Flut gibt, gab es auch dort Schleusen und ganz bestimmte Fahrrinnen, die benutzt werden MUSSTEN! Das sind bekanntlich die entscheidenden Schwachstellen einer jeden Hafenanlage und besonders, wenn es sich um eine Militärbasis handelt.
Das wusste natürlich auch der Befehlshaber des Marinekorps, Admiral Ludwig v. Schröder, der neben der 60 km langen belgischen Küste, vor allem die Marinebasen Ostende und Zeebrügge stark sichern liess.
Gerüchte, dass die Briten etwas gegen diese "Klinge an ihrem Hals" unternehmen würden gab es schon seid Anbeginn und hätten sie sich dazu früher entschlossen, hätten sie unter Umständen die Hafenanlagen beider Städt unbrauchbar machen können. Als sie sich dann dazu entschlossen hatten und in der Nacht vom 11. zum 12. April 1918 ihren Raid gegen Ostende starteten, war es zu spät!
Allerdings scheiterte dieser erste Angriff mehr als kläglich. In seiner eigenen Nebelwand verfranste sich die Angriffsgruppe, die zusätzlich noch durch einen heftigen Luftangriff und Leucht-/Signalraketen unterstützt wurde, dann aber in deutsches Sperrfeuer geriet - alles in allem wohl zuviel.
Die Angreifer verschwanden wieder und am nächsten Morgen fanden die Deutschen ein gestrandetes Motorboot ohne Besatzung, dafür aber mit Geheimdokumenten, aus denen genau hervorging, was die Briten vorhatten.
Am 22. April kurz nach Mitternacht wurde der Angriff auf Ostende wiederholt. Wieder wurde stark gebombt und es schoss auch schwerste Artillerie von See her. Kurz darauf begann auch der Angriff auf Zeebrügge. Die deutsche Schallmesstruppe ortete die Engländer 15 Km vor Ostende und 12 Km vor Zeebrügge. Man sah noch nicht einmal das Mündungsfeuer der Geschütze. Dennoch erwiederten die schweren deutschen Battrien sofort das Feuer, während andere Geschütze das Küstenvorfeld beleuchteten und Sperrfeuer auf die Hafeneinfahrt schossen.
Die Engländer nebelten wieder gewaltig und kurz vor 1 Uhr sahen die Männer der Schnellfeuerbatterie, die am Ende der Zeebrügger Mole stand, einen gewaltigen grauen Schatten herangleiten. Sofort eröffneten sie das Feuer. Das konnte nur der Feind sein! Tatsächlich war es der britische Kreuzer "Vindictive", der an der Mole "anlegte" und dabei auf Grund geriet. An Bord befanden sich hunderte Marineinfanteristen(Seesoldaten und Matrosen), welche die Aufgabe hatten die Hafenanlagen und alle anderen militärischen Einrichtungen zu zerstören.
Über 18 Fallreebs versuchten sie auf die Mole zu gelangen. Oben erwähnte Schnellfeuergeschütze konnten das Feuer nicht weiter führen, so dass deren Besatzung zu den Handfeuerwaffen griff und die Molenbesatzung unterstützte. Unterstützung kam auch vom deutschen Torpedoboot "V 69". Seine Granaten erreichten das Deck der "Vindictive" und richteten unter den 400* Mann Angriffstruppe ein Blutbad an. Ganze 50 Mann kamen überhaupt vom Schiff aber noch lange nicht auf die Mole. Am Ende ergaben sich 16 Briten den Deutschen. 1 Offizier und 15 Mann!
Dei arg gerupfte und zerbeulte "Vindictive" kam wieder frei und angesichts des Debakels an Land, zog sie sich schwer beschädigt in den Schutz der dunklen Nacht zurück.
Zur selben Zeit als der Kreuzer anlandete, setzte sich ein mit Sprengstoff beladenes britisches U- Boot in das Gittergestänge der Mole und detonierte dort. Der Schaden hielt sich in Grenzen.
Gleichzeitig mit der Aktion gegen die Mole und den Hafen lief weiter draussen eine weitere Aktion an, nämlich der Versuch die Fahrrinnen zu sperren. Dazu hatte man drei ältere Kreuzer mit Zement gefüllt und wollte diese in der Fahrrinne versenken. Alle drei Kreuzer wurden aber durch das gezielte Feuer der Batterie "Friedrichsort" versenkt bzw. so stark beschädigt, dass sie weit ausserhalb der Fahrrinne sanken.
Ähnlich "erfolgreich" verlief der Sperrangriff auf Ostende. Hier allerdings fanden die beiden Sperrschiffe (ebenfalls zwei ausgemusterte alte Kreuzer), die Hafeneinfahrt erst garnicht und wurden weitab auf den Strand gesetzt!
Neben vielen kleineren Hilfschiffen die entweder versenkt oder beschädigt wurden, sank der britische Zerstörer "Nordstar".
Das Ereigniss war immerhin so wichtig, dass am folgenden Morgen Seine Majestät der Kaiser höchstselbst am Ort des Geschehens erschien und fast zeitgleich ettliche britische Flieger, die Zeebrügge bombardierten. Mutig wie unser Kaiser eben so war, lehnte er es, selbst angesichts dieser Gefahr für seine Leben ab, einen sicheren Unterstand aufzusuchen !
Tja, bliebe nur noch anzumerken, dass aus irgendeinem unerfindlichen Grund, die Briten diese Sperrangriffe auf Ostende und Zeebrügge als britischen Sieg betrachten und das behauptet sogar ein Offizier(R. Howard), der dabei war und es besser wissen müsste - oder haben wir da was übersehen ?

* Zahlenangaben können je nach Quelle schwanken.

Auch das eine oder Detail im Ablauf kann von Publikation zu Publikation voneinander abweichen!

Waldi44 Offline




Beiträge: 563

06.03.2018 10:23
#2 Als spätere Ergänzung. Antworten

Nicht nur die geographische Nähe zu England, 70sm statt 340sm bis zur Themsemündung, machte Ostende und Zeebrügge für die deutsche Seekriegsführung so wichtig. Die Werft- und Hafenanlagern beider belgischen Städte waren den Deutschen unbeschädigt in die Hände gefallen und wurden dann großzügig ausgebaut. Neben den Werftanlagen entstanden auch U-Bootbunker mit meterdicken Betonwänden. Das waren also keine Erfindungen der Kriegsmarine während des 2. Weltkrieges.
So vorteilhaft diese gegen England vorgeschobene Position auch war, so gefährdet schien sie auch. Tatsächlich aber ignorierten die Briten diese Gefahr lange Zeit sträflich und ließen den deutschen alle Zeit der Welt, starke Befestigungen zu bauen und vor allem artilleristisch zu sichern.
Ab 1915 fuhren nach und nach folgende Batterien auf und gingen in Stellung:
Westlich von Ostende die Batterie "Tirpitz" mit ach 280mm Geschützen.
Nahe von Knocke die Batterie "Kaiser Wilhelm II." mit vier 305mm Geschützen.
Östlich von Ostende, im Jahre 1917, die Batterie "Deutschland" mit drei 380mm Geschützen.
1917-1918 kamen die modernen 280mm Eisenbahngeschütze der Batterie "Preußen" hinzu, sowie zur gleichen Zeit fünf weitere Batterien mit 170 mm Rohren.
Vervollständigt wurde das Verteidigungspotential noch durch zahlreiche 88mm bis hoch zu 210mm Kanonen aller Art.
Insgesamt befanden sich im Raum Ostende Zeebrügge zum Zeitpunkt des britischen Angriffs 37 deutsche Batterien mit zusammen 229 Rohren.
Nach dem gescheiterten Raid zählten die Briten 214(227) Tote und 383(352) Verwundete und 19 Gefangene, die Deutschen hingegen nur 8 Tote und 14(16)* Verwundete und en Totalverlust des Zerstörers HMS "North Star". Der Angriff muss deshalb als gescheitert betrachtet werden, weil ALLE Blockschiffe entweder ihren Blockadepunkt erst gar nicht erreichten oder längs statt quer zur Fahrrinne sanken. Die dennoch entstandenen Schäden konnten innerhalb weniger Tage beseitigt werden und die Einsatzbereitschaft der U-Bootbasen war zu keiner Zeit gefährdet.

* Die Zahlen schwanken je nach Quelle.

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