Japan hatte zu Beginn des 2. Jahrhunderts ähnliche Probleme wie auf der anderen Seite des Globus' das Deutsche Kaiserreich. Zwar lag die Reichseinigung in Japan nach der Machtübernahme des Shôgunats und die Gründung des Bakufu (Militärherrschaft) in Edo durch Tokugawa Ieyasu ( Er nahm1603 den Titel des Shôgun an, den in den kommenden 265 Jahren nur Mitglieder des Tokugawa-Clans erhalten sollten.), anders als im Deutschen Kaiserreich (1871), schon um einige Jahrhunderte zurück, dennoch fühlte sich Japan ebenso als "zuspät" gekommen und um einen "Platz an der Sonne" kämpfend wie das Reich Wilhelm II.
Um 1800 entstanden in Japan die ersten Manufakturen und ein Machtverlust der Shogune ging damit einher. Nachdem der US Admiral Matthew C. Perry 1853 mit seinen "Schwarzen Schiffe" (Mississippi, Plymouth, Saratoga und Susquehanna im Hafen von Uraga nahe Edo)* die Öffnung japanischer Häfen für den Außenhandel erzwungen hatte, ging es mit der Herrschaft der Shogune weiter schnell bergab. 1867 übertrug der politisch geschwächte Tokugawa Yoshinobu, er war der letzte Shogun, die Macht an Kaiser Mutsuhito, dessen Regierungszeit den Namen Meiji trug. Im Grunde bekam der Tenno nun seine politische Macht, die er schon seit Jahrhunderten verloren hatte, wieder zurück. Dieser verlegte ein Jahr darauf seinen Hof nach Edo und nannte die Stadt „Östliche Hauptstadt“, Tokio damit brach die Meiji-Periode und die Modernisierung Japans begann.
SO gesehen also auch nicht sehr viel früher als im Deutschen Reich 1871. AUCH daher rührten die gleichen Probleme! Auch das Vorshogunat läßt sich in etwa mit der Geschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation vergleichen. Viele mehr oder weniger selbständige Lehensherren herrschten im Reich, währen der Kaiser zwar das Reichsoberhaupt war aber im Grunde nur in seinen eigenen Stamm- und Erblanden was zu Melden hatte. 1867 erhielt der Japanische Kaiser seine Macht zurück(nicht ohne Kämpfe gegen das Shogunat, die auch mit den beiderseitigen bescheidenen Seestreitkräften geführt wurden) und 1871 der Deutsche Kaiser und das Schicksal, freundlich als Modernisierung umschrieben, nahm in beiden Hemisphären seinen Lauf.
"Modernisierung" bedeutet zur damaligen Zeit zum großen Teil Rüstung! Wilhelm II., durch seine Kindheit auf die englische Flotte fixiert, setzte verstärkt auf den Ausbau einer Hochseeflotte und betrieb auch eine Kolonialpolitik. Letzteres diente unter anderem auch als Begründung für den Flottenbau. Japan nun seinerseits, war ja ein reiner Inselstaat und um so verwunderlicher die Ereignisse einige Jahrhunderte zuvor.
1639 wurden die letzten Spanier und Portugiesen des Landes verwiesen und nur die Holländer und die VOC (Verenigde Oostindische Compagnie, VOC) durften von der, nach außen (hohe Bretterzäune) abgeschotteten künstliche Insel Dejima / Deshima im Hafen von Nagasaki, anlanden und leben. Andere Europäer, die anderweitig nach Japan zu gelangen versuchten, mussten mit Todesstrafe oder lebenslanger Inhaftierung rechnen. Ab 1633/34 war es den Japanern verboten ihr Land zu verlassen, was ja nur per Schiff ging. Den Japanern waren nur Küstenschiffe für den Küstenhandel und der Küstenfischerei von einer Größe von 50 BRT (500 Koku) erlaubt oder anders gesagt; es gab ein Verbot für den Bau hochseetüchtiger Schiffe.
Das warf Japan in seiner industriellen Entwicklung auf ALLEN Gebieten weit zurück. Dennoch stieg das Interesse an Japan als Absatzmarkt und Handelspartner weltweit, so daß in Fortführung dieser Tradition im 19. Jahrhunderts viele japanische Politiker eine bewusst isolationistische politische Haltung einschlugen, die 1825 in den Befehl, die Anlandung ausländischer Schiffe mit Gewalt zu verhindern, gipfelte. Dieser Befehl wurde aber 1842 wieder aufgehoben.
Allerdings stand Japan damit nicht allein, denn im 16. Jahrhundert schränkten sowohl Japan als auch Korea (welches damals noch ein unabhängiges Königreich war, wenn auch bis 1895 unter der Vorherrschaft Chinas und wurde nach einer kurzen selbständigen Kaiserzeit, japanisches Protektorat und ab 1910 Kolonie) den Überseehandel fast gleichzeitig ein, und auch China öffnete nur den Hafen Kanton für europäische Seefahrer. Grundlos war die Furcht vor den Eurpäern nicht, wie sich noch zeigen sollte!
Doch nun wieder zurück zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Japan wurde sich seiner Stellung in der Welt bewußt. Es war ein Inselstaat und hatte keine nenneswerte Flotte. Seine Inseln waren gebirgig und nur wenig fruchtbar und auch ohne nennenswerte große Bodenschätze. Wenn man still und bescheiden auf seinen Inseln sitzen bleiben würde, könnte man damit vielleicht auskommen. Für viel mehr reichten die landeseigenen Ressourcen aber nicht und so sollte es bis in unsere heutige Zeit bleiben (Eisen, Kohle, Erdöl sind eben keine nachwachsenden Rohstoffe). Reis (zwar ein "nachwachsender Rohstoff") beispielsweise muste teuer in Korea eingekauft und nach Japan verschifft werden um nur ein Beispiel zu nennen.
Japan war, wollte es sich modernisieren, auf die Einfuhr von Rohstoffen wie Eisen, Kohle, Erdöl angewiesen hatte aber gleichzeitig kaum Devisen und konnte sich auch nur schwer welche beschaffen. Man wollte Expandieren und kam bei diesen Vorstellungen auf die gleichen Gedanken wir alle anderen Großmächte, einschließlich Deutschlands: Man brauchte Kolonien! Japans Nachbarn Russland und die USA machten es ihnen ja vor und auch die anderen europäischen Mächte hatten Fernost entweder kolonisiert oder in Interessensphären unter sich aufgeteilt und nun kam Japan und wollte SEINEN "Platz an der Sonne".
Schwierig ein Land in die Moderne zu führen, das sich in vielen Bereichen seit Jahrhunderten kaum weiter entwickelt hat. Wie und womit wollte man die Inseln verlassen, wenn man außer Dshunken kaum moderne Schiffe, geschweige denn eine halbwegs moderne Marine besaß? Um es noch einmal deutlich zu machen: VOR 1633/34 hatte Japan durchaus noch eine Kriegsflotte, mit der es wechselseitig erfolgreich gegen Korea und China auch Seekrieg führte und vor 1850 gab es auch Kriegsschiffe und zwar Kriegsdshunken mit ca. 32 m Länge, 7 m Breite und 2 m Tiefgang, sowie 230 qm Segel und zwischen 30 bis 60 Ruderern, einer Höchstgeschwindigkeit von 2,5 sm und 3,5 sm je Stunde sowie 250 Mann Besatzung. So ähnlich sahen die Schiffe schon gut 300 Jahre vorher aus. Ab1853/54 begann noch unter dem Shogun in der Werft Kagoshima so etwas wie ein neuer Flottenbau. Das erste moderne Schiff nach europäischem Muster war die "Shaohei Maru". Sie war ein 27,5 m langer Dreimaster und 7,3 m breit. Sie hatte 10 Kanonen. Der 05. Okt. 1854 gilt als der Gründungstag der japanischen Marine. An diesem Tag wurde das ehemalige holländische Schiff "Soembing" (gebaut 1852) als "Kanko Maru" von den Japanern in Dienst gestellt. Es war ein als Kanonboot ausgerüsteter Segelfregatte/Raddampfer von 784 t mit 6 Kanonen und ein Geschenk von König Wilhelm III. (Holl.).
1855 und 1857 wurde je eine Marineschule gegründet an denen holländische Lehrer unterrichteten. 1855 bestand die Flotte des Shogunats bereits aus vier raddampfern und 1860 wurde die erste Pazifiküberquärung mit einem ebenfalls in Holland gebautem Schiff, der "Kanrin Maru" (700t) vollbracht. 1863 schließlich besaß das Shogunat und verschiedene Daimyo 24 Dampf- ( aber nur 5 kleine Dampfkriegsschiffe) und 6 Segelschiffe. Alle nach europäischer Bauart gebaut.
Ein Jahr vor der (offiziellen) Machtübernahme durch den Kaiser Mutsushito 1867, verfügte das Shogunat mit den abhängigen Daimyon schon über 42 Schiffe des Shogun und 93 Schiffe der Daimyos. Allerdings waren davon nur 30 bis 36 richtige Kriegsschiffe, von denen wiedrum eine größere Anzahl im Ausland gebaut worden war. Die Masse der Schiffe waren Hilfs- oder Transportschiffe. Die zehn größten Schiffe hatten zusammen 8.592 t und 88 Geschütze. Von dieser beachtlichen Zahl von Schiffen überstanden nur 5 den Bürgerkrieg von 1867/68.
Nach ihrem Sieg über die Flotte des Shogun und der der Rebellen (anschließend) bestand die Kaiserliche Japanische Flotte nur noch aus 3 Kriegsschiffen und vier Transportdampfer. Diese "Flotte" wurde im Laufe des Jahres noch durch die Überstellung von den Daimyos um 10 Kriegs- und 4 Transportschiffe ergänzt.
Ende 1872 bestand die neue Flotte aus aus 2 Gepanzerten (geschützte) Kreuzern, 4 Ungeschützen Kreuzern, und 8 Kanonenboote. Zusammen 14 Kriegsschiffe mit zusammen 10.131 t. Dazu kamen 6Tansportdampfer oder auch Hilfsschiffe mit zusammen 4.382 t.
Im Februar 1872 wurden Marine und Heer getrennt und ein selbständiges Marineministerium begründet. Daher gilt das Jahr 1872 als Gründungsjahr der modernen japanischen Marine. Nicht zu verwechseln mit dem 05. Okt. 1854.
1873 wurde in Japan das erste Flottenbauprogramm aufgelegt. Es umfasste 70 (!) Kriegsschiffe. Ein utopischer Plan wie fast 70 Jahre später der deutsche "Z Plan". Aus Geldmangel wurde dieses Projekt wieder schnell aufgegeben. 1875 wurde dann das erste realistishe Flottengesetz verabschiedet (Deutsches Kaiserreich erstes Flottengesetz 1898). Ebenfalls 1875 wurde von Mitsubishi eine eigene Seefahrtshochschule eröffnet, die 1885 von der japanischen Regierung übernommen wurde.
Im April 1893 bildeten Armee und Marine spezielle Kommissionen für Proviant und Kriegsmaterial, welche die Vorbereitung von Armee und Marine für den Kriegsfall vorbereiteten und im Mai des selben Jahres wurden neue Vorschriften erlassen und die Kompetenzen zwischen Generalstab und Admiralsstab neu festgelegt. Gleichzeitig ging man daran das Bildungssystem zu reformieren und schuf 34.000 Grundschulen und zahlreiche Hochschulen und Universitäten. Ein unumgänglicher Schritt, wollte man Armee, Marine und Produktion modernisieren bzw. erst aufbauen! Aus Bauern mußten Industriearbeiter werden und aus Fischern Matrosen für die neu zu schaffende Kaiserliche Marine.
Wie sehr es an ausgebildetem Personal fehlte und wie schnell dieses Manko aufgeholt wurde, sollen folgende Zahlen verdeutlichen: Im Jahre 1876 gab es nur 4 Japaner mit einem Seefahrtspatent als Seeoffizier gegen über 74 im japanischen Dienst stehenden Ausländern. Im Jahre 1895 verkehrte sich das Verhältnis ins Gegenteil und 835 Ausländern standen nun 4.135 Japaner gegenüber. Bei den Kapitänen führten die Ausländer noch mit 308 zu 227 Japaner. Bei den Ingeneuren sah es ähnlich aus. 196 Ausländern standen 125 Japaner gegenüber, was sich bis 1904 349 Ausländer zu 16.886 Japaner änderte. ALLE diese Angaben beziehen sich auf die Handelsmarine.
Schon bald bildeten sich in der Regierung zwei politische Richtungen, die eher politisch orientierte Fraktion und die militärische Fraktion. Diese Spaltung blieb bis 1945 und trieb Japan nicht nur in den 2. Weltkrieg.
Da man nun einmal Kanonenboote hatte, beschloß man diese auch einzusetzen. Man besetzte die unbewohnte Bonin Insel(Ogasawara-Inseln etwa 1000 Kilometer südöstlich der japanischen Hauptinsel Honshu) und verleibte sie sich 1873 ein. Dann unternahm man eine Strafexpedition nach Taiwan 1879 wurden, die "vertraglich" von China überschriebenen, 1.200 km südwestlich von Japan, zwischen Kyushu und Taiwan liegenden Ryukyu-Inseln an Japan angegliedert (man beachte die Entfernungen) und schließlich galt es noch die Nordgrenze zu sichern. Tatsächlich war die Nordinsel so etwas wie eine Kolonie, das Sibirien Japans gefolgt von den Kurilen und Südsachalin, dem, um beim Bild zu bleiben, Alaska Japans.
1875 schließlich einigte man sich mit Rußland der Art, dass Südsachalin an Russland ging und die Kurilen an Japan. Ein Witz der Geschichte, denn während des russisch-japanischen Krieges von 1904 bis 1905 besetzten die Japaner den südlichen Teile der Insel (wieder). 1945 besetzte die Sowjetunion im Zuge des 2. Weltkrieges dann (auch wieder) die ganz Insel und zusätzlich die Kurilen bis zum 5. September größtenteils kampflos. Dennoch fielen über 8.000 Sowjetsoldaten.
Mit diesem Vertragswerk wurde Japan zu einem anerkannten politisch verläßlichen Partner und England und Frankreich zogen ihre seit 1863 zum Schutz der Europäer in Yokohama stationierten 1.500 Mann ab.
Nachdem nun die Grenzen im Norden gesichert und im Süden erweitert waren, sah man sich vor seiner "Haustür" um. Dort lagen China und das von China in Abhängigkeit stehende Korea. In Anlehnung an die gängige "Kanonenbootpolitik" jener Zeit und um eine direkte Konfrontation mit China zu vermeiden, sandte man drei Kriegsschiffe zur "Vermessung" in koreanische Gewässer, wo sie promt beschossen wurden. Daraufhin wurde zurück geschossen und Truppen gelandet. Unter dem Eindruck dieser Ereignisse fanden dann 1876 "Verhandlungen" zwischen Korea und Japan statt. Auf dem ersten Blick sehen die Bedingungen nicht mal so schlecht aus, aber NUR auf dem ersten Blick. Korea wurde formal von Japan als unabhängiger Staat anerkannt, Errichtung ständiger Missionen in beiden Ländern(Hauptstädte), Errichtung verschiedener exterritorialer Konsulate in verschiedenen koreanischen (nicht japanischen) Städten und das Recht der Ansiedlung von Japanern in Korea (aber nicht umgekehrt). Japan installierte sich selbst sozusagen als Trojanisches Pferd und legte gleichzeitig Feuer an die Lunte zum Krieg mit China.
Man sieht also, dass Japan nach Jahrhunderte der Isolation rasend schnell mit dem Aufbau seiner Flotte auch eine auf Expansion und Aggression ausgerichtete Außenpolitik zu betreiben begann! Aber auch im Innern bei den Aufständen in den Jahren 1876/77 kam die Japanische Kaiserliche Flotte erfolgreich zum Einsatz. Danach gab es in Japan 17 Jahre eine friedliche Entwicklung, in der die Japanische Gesellschaft auf ALLEN Gebieten einen gewaltigen Fortschritt erlebte, ähnlich wie Deutschland, das seinen letzten Krieg 1870/71 für lange Zeit geschlagen hatte!
* Die Flagge von Perrys Flaggschiff war bei der Kapitulation Japans im Zweiten Weltkrieg an den Aufbauten des Schlachtschiffes USS Missouri angebracht, auf dem die Kapitulation am 2. September 1945 unterzeichnet wurde. Perrys Tochter Caroline war mit dem deutsch-amerikanischen Bankier, Repräsentant der Rothschilds und Politiker August Belmont verheiratet. (Wiki)