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 Allgemeines zu den Kriegsereignissen
Waldi44 Offline




Beiträge: 563

14.11.2012 16:43
RE: Räder müssen Rollen für den Sieg. Antworten

Anders als zu Beginn des 1. Weltkrieges trat zu Beginn des 2. Weltkrieges bei der Eisenbahn kein "Kriegsfahrplan" in Kraft. Wie während des ganzen Krieges versuchten die Nazis der deutschen Bevölkerung trotz Krieg, ein so normales Leben wie irgendwie möglich vorzugaukeln. Erst gegen Kriegsende wurde mit der Parole "Erst Siegen dann Reisen", der private Reiseverkehr rigoros eingeschränkt.
Natürlich traten mit den Kriegsereignissen und schon lange vorher, für die Deutsche Reichsbahn besondere Umstände in Kraft. Um diesen Kraftakt meistern zu können, trat statt des Friedensfahrplans oder eben des Kriegsfahrplans, der sogenannte "Hochleistungsfahrplan" in Kraft. Dieser Schnellfahrplan legte bis ins einzelne die Zuglängen( zB. Lok, Wagenfolge= 53 Wagen, Länge ohne Lok = 521 m ), die Zuggeschwindigkeiten und die Zugfolgen fest und zwar die der weiterhin zivilen Züge, als auch die zusätzlichen militärischen Transporte.
Bei der Bahn unterschied man zwischen den blau uniformierten Reichsbahnern und den grau uniformierten Angehörigen der wehrmachtseigenen Eisenbahntruppen*. Die Eisenbahntruppen unterstanden direkt, über zwischengeschaltete Kommandeure (Kodeis = Kommandeure der Eisenbahntruppen bzw. Grukodeis = Gruppenkommandeure der Eisenbahntruppen), direkt dem Oberbefehlshaber des Heeres.? 90% der eingezogenen "grauen Eisenbahner" waren vormals "blaue Eisenbahner" gewesen.
Die "blauen Reichsbahner" hingegen unterstanden dem Reichsverkehrsminister und Generaldirektor der Deutschen Reichsbahn, Julius Dorpmüller** und galten als "Wehrmachtsgefolge".
Nicht nur durch die Farbe ihrer Uniformen unterschieden sich die Eisenbahner, sondern auch in der Beschriftung der Fahrzeuge. Die einen trugen den Schriftzug "Deutsche Reisbahn", die anderen "Deutsche Wehrmacht".
Ab dem 13. Januar 1939 liefen bei der Deutschen Reichsbahn die Vorbereitungen für den Polenfeldzug, sprich: für den Krieg! Dadurch befanden sich gut zwei Drittel der geplanten 1.700 Truppentransporte bereits vor bzw. am 1. September in ihren Sammelräumen bzw. Ausgangsstellungen. Hinzu kamen noch Transporte für die "Grenzsicherung West". Insgesamt wurden über 3 Millionen Menschen, 400.000 Pferde und 200.000 Fahrzeuge aller Art per Schiene bewegt und zwar "neben" bzw. zusätzlich zu den zivilen Zügen, die weiterhin fahrplanmässig fuhren!
Der Reichsbahn standen in Westrichtung neun Schienentransportwege mit einer Gesamtleistung von 572 bis 698 Zügen täglich zur Verfügung. In Ostrichtung, also nach Polen, waren es nur vier Schienentransportwege mit einer täglichen Gesamtleistung von 240 bis 252 Züge.Der begleitende Angriff auf das polnische Eisenbahnnetz scheiterte aber kläglich. Der Eisenbahntunnel am Jabluncapass wurde von den Polen ebenso gesprengt wie die Doppeleisenbahnbrücke bei Dirschau. Der Plan die Brücke bei Graudenz im Handstreich zu nehmen wurde wegen zu geringer Erfolgsaussichten fallen gelassen.
Nach dem Sieg über Polen, wurde die sogenannte "Ostbahn" geschaffen. Diese unterstand dem Generalgouverneur Hans Frank. Die Bahnen im Westen wurden von einem "Bevollmächtigten Generalstabsoffizier des Chefs des Transportwesens" mit Sitz in Paris geleitet. Für die belgische Staatsbahn gab es in Brüssel eine Wehrmachtsverkehrsdirektion.
Bis zum Herbst 1940 mussten die Franzosen 2.000 Loks und 85.000 Waggons und die Belgier 1.000 Loks und 15.000 Waggons an die Reichsbahn abgeben. Pikanterweise bevorzugte man bei der Reichsbahn jene Loks, welche im Rahmen des Versailler Vertrages an diese Staaten abgeliefert wurden. 1942 waren es schon 208.000 Eisenbahnwagen. Die ersten Deportationen fanden dann auch schon im Jahr 1940 statt. 100.000 Lothringer und 10.000 Elsässer wurden in den unbesetzten Teil Frankreichs
deportiert.
Die Bahnen in Norwegen und Dänemark verblieben bei den Generaldirektionen der jeweiligen Staaten. Die deutschen Interessen dort wurden von einem Bahnbevollmächtigten und einer Transportkommandantur wahrgenommen. Allerdings musste die Reichsbahn im Laufe der Jahre Gerät und Personal an die Bahnen dieser Länder abgeben.Im Januar 1942 wurde das Schienenwesen im Osten dann doch der Deutschen Reichsbahn unterstellt und zwar auf ausdrücklichen Befehl Hitlers. Das Betätigungsfeld der "grauen Eisenbahner" beschränkte sich dort von da ab nur auf des frontnahe Gebiet. Auch die Franksche Ostbahn wurde zu diesem Zeitpunkt dem Reichsverkehrsministerium unterstellt.
Mitte 1942 wurde in Anbetracht der Trasportkrise vom Winter 1941/42 in Russland, nicht nur im Osten das Transportsytem der Wehrmacht quasi weggenommen und der Reichsbahn unterstellt, sondern auch im Westen und aus den beiden (Paris, Brüssel) Wehrmachtsverkehrsdirektion wurden Hauptverkehrstdirektionen der Deutschen Reichsbahn.
Im Jahre 1942 begannen im Westen die ersten Bombenangriffe und Sabotageakte. Ihre Auswirkungen auf das Transportwesen waren relativ gering. Erst ab dem Herbst 1943 begann die Situation im Transportwesen kritisch und im Frühjahr 1944, im Rahmen der Vorbereitung der alliierten Invasion, katastrophal zu werden, so dass am 20.03 1944 der General des Transportwesens folgende Meldung abgab:"Bei einer Feindlandung muss nach hier vorliegenden Unterlagen mit dem Ausfall der Eisenbahntransporte in bisher unbekanntem Masse gerechnet werden".
Die französische und belgische Bahn erlitt durch das Bombardement und den folgenden Kampfhandlungen, grössere Schäden als im Jahr 1940. Allerdings versuchten die Alliierten die Verluste an Menschenleben (französische) durch vorherige Warnungen (durch Rundfung und Widerstand) zu minimieren. Durch ihre absolute Luftüberlegenheit konnten sie es sich leisten....
Mit den Vorbereitungen zum Angriff auf die Sowjetunion begann die Deutsche Reichsbahn im Sommer 1940 und bis zu Weihnachten 1940 wurden 36 Divisionen in die Sammelräume im Osten transportiert.
Wie bei fast allem was den Feldzug gegen die Sowjetunion betraf verkalkulierten sich ALLE und auch den Planern bei der Deutschen Reichsbahn erging es nicht anders. Hatte man doch mit einer gewaltigen Beute an Fahrzeugen und rollendem Material gerechnet, so fiel die Bilanz eher mickrig aus. Den Sowjets war es gelungen einen Grossteil ihrer Loks und Wagen mitsamt der demontierten Industrie bis hinter den Ural zu bringen und so dem Zugriff der Deutschen zu entziehen.
Im ersten Kriegsjahr erbeutete man ganze 312 normalspurige Loks, von denen nur 166 betriebsfähig waren und 869 Breitspurbahnen, von denen nur 247 einsatzbereit waren. Hinzu kamen nur rund 21.000 Waggons.
Stattdessen musste man Fahrzeuge aus dem Reich und den besetzten Ländern im Westen nach dem Osten schicken. Von annähernd 23.000 Reichsbahnlokomotiven befanden sich im Juni 1942 über 5.300 im Osten im Einsatz. Im Sommer 1943 befanden sich bei der Reichsbahn 6.457 Loks im Osteinsatz.
Neben dem nicht erbeuteten Material machte auch das vorgefundene Streckennetz ungeahnte Probleme. Die breitere Spurweite hoffte man ja durch Beutegut ungehindert nutzen zu können. Diese Hoffnung hatte sich aber schnell zerschlagen und zerschlagen im wahrsten Sinne des Wortes war noch mehr und musste von Eisenbahnpionieren mühsam und zT. nur notdürftig wieder instand gesetzt werden.
Von Kriegsbeginn bis Ende Mai 1943 wurden von 3.544 zerstörten Brücken 2.076 von deutschen Pionieren repariert. 590 Brücken reparierten private Baufirmen bzw. Baueinheiten der Verbündeten.
1942 hatte das Gesamtschienennetz im bestzten Teil der Sowjetunion rund 38.000 Km. Davon waren 23.023 km befahrbar. 20.309 Km Normalspur und 1.260 Breitspur. Am Jahresende waren es sogar rund 42.000 Km. Beschäftigt bei der Bahn waren zu dieser Zeit 112.000 Deutsche und 634.000 Einheimische.Im Zeitraum von 1942 - 43 vernichteten (beschädigten) sowjetische Partisanen 1.060 km Schienen, 274.000 Schwellen, 6.050 Loks und 21.050 Waggons. Dazu kamen noch die Güter und Soldaten die von den Zügen Transportiert wurden.
Um dem zunehmenden Mangel an Loks entgegen zu wirken, wurde mit dem Bau der sogenannten "Kriegsloks" begonnen. Dabei handelte es sich vorwiegend um "entfeinerte" Dampflocks aber auch Kriegs- Elloks**** (kein Schreibfehler ). "Entfeinert" bedeutete nichts anderes als, schlicht, einfach und robust. Auserdem gab es eine Typenbereinigung.
Treibende Kraft war auch hier der neue Rüstungsminister Speer. Schnellzulocks waren nicht gefragt - wo hätten die auch "schnell" fahren können? Was aber nicht bedeutet, dass es keine Schnellzüge mehr gab. Es wurden nur keine Loks mehr gebaut.
Besonders interessant in diesem Zusammenhang war die Konstruktion einer Ellok mit überwiegend heimischen Rohstoffen. Diese Lok nannte man "Heimstofflok" und bei ihr wurde statt Kupfer Alu und Alulegierungen verwendet. Statt 3,1 Tonn Kupfer wurden nur 1,5 Tonnen Alu und Alulegierungen verbraucht. Auch hier bestätigt sich der Spruch:"Der Krieg ist der Vater aller Dinge!"
Der Bau der Kriegsloks ging aber nur schleppend vorran und als man 2.000 hatte, war das gedachte Einsatzgebiet, die Soiwjetunion, schon weitestgehend verloren und besonders kurions war der Umstand, dass die Reichsbahndirektionen ihre schönen neuen Kriegsloks zurückhielten um sie zu schonen!!
Prinzipiell lassen sich die Aufgaben der Reichsbahn während des Krieges folgendermassen beschreiben:´
1. Truppentransporte für die Wehrmacht
3. Gütertransporte der Wehrmacht (+ SS und andere Wehrmachtsteile) mit der Eisenbahn
"Blitzt-" und "Pfeiltransporte" wurden bevorzug abgefertigt
2. Wehrmachtsreiseverkehr (wurde manchmal mit zivilen Transporten kombiniert) und Verwundetentransporte
4. Alle zivilen Transporte - darunter fallen auch die Deportationszüge
Die Deportationszüge rangierten in ihrer Bedeutung an letzter Stelle. Sie wurden irgendwie immer dazwischen geschoben und standen deshalb oft tagelang irgendwo rum oder hatten keine Zugmaschine zur Weiterfahrt. Die Folgen für die Menschen sind bekannt....
In den Jahren 1942 und 1943 fuhren täglich 20 Urlauberzüge in Richtung Heimat und etwa die gleiche Zahl brachte die Urlauber wieder zurück. Mancher Urlauber war ein Woche und länger in einer Richtung unterwegs.
Während des 2. Weltkrieges stellte die Deutsche Reichsbahn 137Lazarettzüge (LZ) 67 Behelfslazarettzüge (Behelfsverwundetenzüge BVZ) und 26 Leichtkrankenzüge(LKZ) auf.

Natürlich gäbe es über das Schienentransportwesen noch viel mehr zu schreiben und man sollte auch nicht die Bahnen in Holland, Italien und dem Balkan vergessen. Auch die "Kinderlandverschickung" zählt zu den bemerkenswerten Ereignissen. Nicht zu vergessen sind da noch die Schmalspurbahnen und die meist von der Wehrmacht betriebenen Feldbahnen.
Das würde aber den Rahmen meines kurzen Beitrages sprengen, der eigentlich auch nur grob auf den Aspekt des Transportwesens und seiner Bedeutung für die Kriegsführung hinweisen soll.
Anmerkung: Zahlen und Daten können je nach Quelle abweichen.


* Eisenbahntruppen waren laut Versailler Vertrag der Reichswehr verboten. Dennoch gab es im Reichswehrministerium eine getarnte Dienststelle, die sich mit dem Problem der Militärtransporte auf der Schiene befasste. Ab dem 30. Oktober 1935 gab es wieder einen "Chef des Transportwesens".
**Julius Heinrich Dorpmüller (* 24. Juli 1869 in Elberfeld; † 5. Juli 1945 in Malente-Gremsmühlen) war von 1926 bis 1945 Generaldirektor der Deutschen Reichsbahn und von 1937 bis 1945 Reichsverkehrsminister sowie gleichzeitig im Mai 1945 Reichspostminister. Er gehörte 1945 der Reichsregierung Dönitz als Reichsverkehrs- und Postminister an. Obwohl Träger des Goldenen Parteiabzeichens wurde er als "unbelastet"*** eingestuft und die die Briten baten Dorpmüller, den Wiederaufbau der deutschen Eisenbahnen zu übernehmen.
*** Und das, obwohl er ins seiner Funktion massgeblichen Anteil an den Judentransporten in die Vernichtungslager hatte.
**** ELektroLok - Im Jahre 1942 waren bei der Reichsbahn 3.332 Km elektrifiziert. Auch als KEL bezeichnet.

Quellen:"Bahn Extra" 5/2012, "Die Eisenbahnen in Zweiten Weltkrieg", Eugen Kreidler, Nikol Verlagsgesellschaft

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