Besetzt von der eigenen Armee: Um die Landung in der Normandie zu proben, ließen die Briten 1943 kurzerhand ein südenglisches Dorf räumen. Nach dem Sieg der Alliierten wollten die Bewohner in ihre Heimat zurückkehren - und durften nicht. Es war der Beginn eines jahrzehntelangen Kampfes.
Es war ein kalter Novembertag im Jahr 1943, als die Einwohner des Dorfes Tyneham unerwartet Post bekamen. Ein Bote brachte die Briefe in die 250-Seelen-Gemeinde, alle trugen den gleichen Absender: Generalmajor C. H. Miller, Kriegsministerium. Der Befehlshaber des Kommando Süd der britischen Streitkräfte hatte eine wichtige Mitteilung zu machen: "Um unseren Truppen die Möglichkeit zu geben, ihren Umgang mit den modernen Kriegswaffen zu perfektionieren", schrieb er, "benötigt die Armee ein Gelände, das ihren speziellen Bedürfnissen entspricht und in dem sie scharfe Munition einsetzen kann. Aus diesem Grund werden Sie verstehen, dass das ausgewählte Gebiet von allen Zivilisten geräumt werden muss."
Im Interesse der Nation sei es bedauerlicherweise unerlässlich, fuhr der Generalmajor fort, dass alle Bewohner ihre Häuser vorübergehend verließen. Das Datum der Evakuierung stand bereits fest: "Der Tag, an dem das Militär das Gebiet übernimmt, ist der 19. Dezember." Nur knapp ein Monat blieb den Betroffenen, sich eine neue Bleibe zu suchen und eine Arbeit, mit der sie sich in den folgenden Monaten ihren Lebensunterhalt verdienen konnten.
Zunächst stießen die königlichen Truppen auf wenig Widerstand: Der Postbote, der Pfarrer, der Lehrer, der Bäcker und all die anderen aus dem Dorf sahen es als ihre patriotische Pflicht, dem Wunsch der Regierung nachzukommen. Bis zur Heuernte, so hatten die Bauern gerechnet, würden sie wieder daheim sein. Eine Woche vor Weihnachten brachen sie auf. Als eine der letzten verließ die Näherin Helen Taylor den Ort. Bevor sie ging, heftete sie für die Truppen eine Nachricht an die Tür des Gotteshauses: "Bitte behandeln Sie die Kirche und Häuser mit Sorgfalt; unsere Häuser, in denen viele von uns seit Generationen leben, haben wir verlassen, um zu helfen, den Krieg zu gewinnen, damit die Menschen frei sind. Eines Tages werden wir zurückkehren und Ihnen für die freundliche Behandlung des Dorfes danken."
Doch dazu kam es nicht. Denn obwohl Tyneham im Zweiten Weltkrieg von keiner einzigen deutschen Bombe getroffen wurde, kehrten seine Bewohner nie zurück. Anders als viele andere britische Gemeinden wurde der Ort zu einem eher ungewöhnlichen Opfer des Krieges.
Bereit für den D-Day
Schon kurz nachdem Tynehams Einwohner gegangen waren, zogen Soldaten in das Dorf.